Prinzenbad im Oktober: Pudelmütze unter der Badekappe
Als letztes Sommerbad hat das Prinzenbad in Kreuzberg noch den ganzen Monat geöffnet. Der Besuch ist was für Hartgesottene – oder Bekloppte.
Eine halbe Stunde vorher stand ich noch frohgemut an der Kasse. Die Entscheidung für einen Freibadbesuch im Oktober war spontan gefallen, nachdem mich am Morgen die Sonne aus dem Schlaf geholt hatte. Der wolkenlose Himmel weckte Sommergefühle. Und außerdem: Ich hatte mir doch eh vorgenommen, öfter mal kalt zu duschen, um besser gewappnet durch die Erkältungssaison zu kommen. Zwar war der kühle Wind, der mir auf dem Fahrrad auf dem Weg nach Kreuzberg entgegenblies, nicht gerade sommerlich, trotzdem stand ich kurz darauf eher arglos am Einlass des nicht mehr durch Security-Mitarbeiter bewachten Bades und fragte: „Ist’s kalt?“
Die Antwort: 15,3 Grad Celsius; geheizt werde das eine noch geöffnete Becken nicht mehr. In jenem Moment wusste ich noch nicht, dass auch die Ostsee in Warnemünde derzeit nur ein Grad weniger misst. Also rein ins Vergnügen, raus aus den Sachen. Na gut, die Duschen am Beckenrand waren schon den ganzen Sommer über eiskalt, aber im Wasser würde es schon gehen. Nach dem Sprung ins Wasser dann der Schock, immerhin blieb der direkt vermutete Herzstillstand aus. Am Ende der ersten Bahn brannte der ganze Körper, doch die Pause am Beckenrand machte es auch nicht besser. Ich schwamm weiter, nach der nächsten Bahn setzte schon so etwas wie Gewöhnung ein; vielleicht weil ich nichts mehr spürte.
Das gewöhnliche Ziel von 20 Bahnen hatte ich in dem Moment schon aufgegeben, nun ging es nur noch um jede einzelne Bahn. Nach insgesamt fünf stieg ich erleichtert aus dem Wasser und wusste aber nicht, ob ich nun Märtyrer, Weichei oder einfach nur bekloppt bin. Die fünf, sechs anderen Besucher:innen stellten sich wohl die gleiche Frage. Beim Gespräch unter der Dusche jedenfalls sagte ein anderer: „Wir haben überlebt.“ Motivation genug eigentlich, um auch die restlichen drei Eintritte meiner 20er-Karte nicht verfallen zu lassen. Das Prinzenbad hat noch den ganzen Monat geöffnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Pro und Contra
US-Präsident Biden hat seinen Sohn begnadigt – richtig so?
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld