■ Princess Di weihnachtet sehr: Heile, heile Gänschen
Prinzessin Diana macht Überstunden. Nachts, wenn es dunkel ist, meldet die englische Zeitung News of the World, schleicht sich die Rivalin von Camilla Bowles aus dem Kensington-Palast – in geheimer Mission, Jeans und Sweatshirt. Die zukünftige Queen of Hearts tourt durch Londons Krebsstationen. Da seien Hunderte Patienten ohne ihre engsten Angehörigen, sagt die ehemalige Kindergärtnerin. „Sie brauchen einen Menschen. Einige werden es überleben, andere nicht. Aber so lange brauchen alle Liebe.“
Mitternacht im St. Paul's Hospital. Ihre Königliche Hoheit betritt Zimmer 237. Hier liegt die schwer krebskranke Mrs. Collins. An diesem Morgen ist sie noch einmal operiert worden. Ihre Chancen stehen sehr schlecht. Diana knipst das Oberlicht an und rüttelt die Patientin an der Schulter: „Wachen Sie sofort auf, Mrs. Collins. Ich bin es, die heilige Di.“ Die Kranke pariert und setzt sich mühsam in ihrem Bett auf. „Schön, Sie zu sehen“, sagt sie artig. „Das ist nett, daß Sie das sagen“, antwortet Diana. „Ich bewundere Ihre Kraft, Mrs. Collins.“ Mrs. Collins lächelt dankbar. „Sie sind so gut zu mir. Sie sind so selbstlos – ich hoffe, Camilla hat bald einen recht schweren Reitunfall.“ Das dürfe sie nicht sagen, meint Diana. „Man darf Menschen nichts Böses wünschen, nicht einmal, wenn man allen Grund dafür hat und drei einer zuviel sind und so.“ Mrs. Collins nickt.
Diana inspiziert den Nachttisch im Krankenzimmer. „Oh, Mrs. Collins. Sie haben Ihr Abendessen nicht angerührt! Hatten Sie wieder keinen Hunger? Kann ich das Käsebrot...?“ Ohne die Antwort abzuwarten, verschlingt die Prinzessin das Brot. „Köstlich, Mrs. Collins. Und dieser Brei hier sieht auch sehr lecker aus...“ – „Nehmen Sie nur, Kindchen. Hat sich dieser James eigentlich noch einmal gemeldet, wegen der Briefe?“ Diana verschluckt sich an einer Scheibe kalten Bratens. „Ja. Er will sie mir nicht wiedergeben. Oh, es ist so unfair!“ Mrs. Collins stimmt zu. „Das ist gemein. Aber er ist doch Reitlehrer. Da könnte er doch mal einen schönen Reitunfall...“ – „Mrs. Collins! Bitte! Das Volk von England braucht Liebe, Liebe und nochmals Liebe! Zur Strafe werde ich Ihre Pralinen aufessen.“
Es ist 4 Uhr morgens im St. Paul's Hospital. Für die Patienten beginnt jetzt der Tag, für die reisende Botschafterin Großbritanniens geht er zu Ende. Soeben hat sie ihren letzten Besuch gemacht. Diana geht zu Fuß zum Kensington-Palast zurück und führt ein Selbstgespräch. „Meine Beliebtheit ist um siebzig Prozent gestiegen, das sagt auch die Sunday Times, murmelt sie, während sie die letzte Tafel Schokolade aus Zimmer 241 auswickelt. „Bis Jahresende schaffe ich achtzig. Und dann, mal sehen – noch etwas mit Kindern. Und noch eine Reise und ein paar Ansprachen. Macht mindestens neunzig.“ Diana beißt ein großes Stück von der Tafel ab. Plötzlich bleibt sie stehen. Großer Gott, wie geschieht ihr? Die Prinzessin schleudert das Naschwerk auf die Straße. Sie nimmt ihre Baseballkappe ab und hält sie mit beiden Händen. Ihr ist irgendwie ein wenig übel. Hoffentlich, überlegt sie würgend, ist ein Fotograf in der Nähe. Carola Rönneburg
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