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Presseunfreiheit in KasachstanAnderthalb Jahre nur eingeschränkt frei

Ein Online-Journalist wird wegen "Verleumdung" eines Staatbeamten verurteilt. Er darf die Stadt Almaty nicht verlassen und in Bars keinen Alkohol trinken.

Kein Freund der Pressefreiheit: der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein Journalist der kasachstanischen Internet-Seite www.guljan.org ist von einem Bezirksgericht in Almaty wegen eines kritischen Artikels über den stellvertretenden Leiter der Abteilung für den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität und Korruption zu anderthalb Jahren "Freiheitsbeschränkung" verurteilt worden.

Die Anklage hatte drei Jahre Haft gefordert. Nach Informationen kasachischer Nachrichtenagenturen und des Portals www.guljan.org wurde Walerij Ssurganow in dem Urteil zur Auflage gemacht, in dieser Zeit seinen Wohnsitz und Arbeitsplatz nicht zu wechseln sowie Almaty nicht zu verlassen. Zudem darf er in seiner Freizeit keine öffentlichen Orte, wie zum Beispiel Restaurants oder Bars aufsuchen, wo alkoholische Getränke verkauft werden.

Zudem muss Ssurganow dem Kläger 100.000 Tenge (rund 500 Euro) Schmerzensgeld zahlen und sich öffentlich entschuldigen. Er und seine Redaktion sollen auf der Internet-Seite eine Richtigstellung der im Artikel "Duodezfürsten der "Finanzpolizei Teil 2" genannten Fakten veröffentlichen.

In seinem Beitrag hatte der Journalist über Korruptions- und Sexskandale berichtet, in die der Wirtschaftsbeamte verwickelt gewesen sein soll. Das Gericht kam zu der Aufassung, dass Ssurganow Fakten veröffentlicht habe, die die Ehre und Würde des Beamten verletzen und ihm als einem Staatsbediensteten moralen Schaden zugefügt hätten. Der Richter merkte an, dass der Journalist keine Beweise für seine Behauptungen präsentiert habe. Ssurganow will das Urteil anfechten.

Prozesse gegen Journalisten wegen Verleumdung sind in Kasachstan an der Tagesordnung und eine Methode, um krtische Medienmacher unter Druck zu setzen. Die Prozesse enden, vor allem, wenn es um Berichterstattung über Korruption in staatlichen Institutionen geht, in der Regel mit einer Verurteilung der Journalisten. Die Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen" führt in ihrem Ranking zur Pressefreiheit weltweit Kasachstan auf dem 129. Platz, gleich hinter Somalia.

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2 Kommentare

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  • C
    Conrado

    Ich finde TAZ Berichterstattung aus Zentralasien grundsaetzlich gut. Bei diesem Artikel fehlt mir aber doch etwas Hintergrund, damit ich den Fall bewerten kann. Hat es hier ein Online-Journalist mit der journalistischen Sorgfaltspflicht nicht so genau genommen, einfach einen reisserischen Artikel auf der Grundlage von Geruechten oder zweifelhaften Einzelquellen wie einem Konkurrenten des Beamten produziert, und ist jetzt relativ billig davon gekommen? Oder ist es wirklich ein Fall von Presse-Unfreiheit? Nur wenn Herr Bensmann ein bisschen mehr preisgibt, kann das klar werden. Sonst ist da nur der Generalverdacht gegen (natuerlich) korrupte (und wie Borat sexbesessene) Staatsdiender aus dem (natuerlich durch und durch) diktatorischen und auch sonstwie seltsamen Kazakhstan.

  • AH
    andert halb

    Wenn man weiss, das man mit sowas rechnen muss, könnte man sich ja evolutionär anpassen. Es sei denn, man glaubt nicht an Evolution und glaubt dann vielleicht sogar dran. (Mehrdeutiges Wortspiel).

    Dann berichtet man halt über andere Korruptionen oder anders. Ist ja nicht so, das anonyme flip-Cams keine Puffbesucher beim reingehen oder betrunken herauskommen filmen und bei youtube uploaden könnten.

     

    Bei dem Vergleich mit Somalia bitte das Perzentil nennen. 129/###*100 ist gemeint. ###=Anzahl der Staaten in der Liste fehlt halt. Und kleine Stadtstaaten und Inselstaaten oder alles unter 1 Mio Bürger sollte man vielleicht auch nicht mitzählen. Ich schätze mal so 80% also 80% sind besser und 20% sind schlechter als Kasachstan.

    Verzichtet taz eigentlich auf UEFA-Berichte bis die Transparenz dort eingeführt wurde ?