Pressefreiheit in Spanien: Arme Kinder? Dürft ihr nicht zeigen
In Spanien machen Journalisten publik, wie die Regierung versucht, sie zu manipulieren: Sie verbiete Bilder, gebe Zitate vor und beeinflusse die Berichte.
Denn nachdem der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy bei den Wahlen 2016 die absolute Mehrheit verlor, beschloss das Parlament einstimmig ein neues Reglement für die Wahl der Führungsetage des spanischen öffentlichen Radiotelevisión Española (RTVE). Anstatt der Mehrheit im Parlament und Senat, braucht es jetzt eine öffentliche Ausschreibung, bei der sich Kandidaten mit einem Projekt vorstellen. Seit Monaten blockiert die christlich-konservative Partido Popular (PP) im Parlament die Umsetzung. Die derzeitige Direktion bleibt damit weiterhin im Amt.
Warum das die Redakteure protestieren lässt, zeigt der Hashtag #AsíSeManipula (So manipuliert man), der über das 1. Mai-Wochenende in Spanien den Kurznachrichtendienst Twitter bestimmte. Dutzende von JournalistInnen berichten dort offen von ihren Erfahrungen im traurigen Alltag einer durch die konservative Regierung gegängelten Redaktion.
Dazu aufgerufen hatten die Journalistinnen von RTVE. „Wir wollen öffentlich die Praktiken anklagen, die die Qualität und Unabhängigkeit unserer Informationen ersticken“, heißt es im Aufruf der @MujeresRTVE (Frauen RTVE). Der lose Zusammenschluss der Frauen aus Funk und Fernsehen entstand im Vorfeld des äußerst erfolgreichen feministischen Generalstreiks am vergangenen 8. März in Spanien gegen die Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz.
Viele Verbote für Journalisten
Sie beklagten sich darüber, dass es ihnen verboten wurde, den konservativen Ministerpräsidenten zusammen mit Politikern seiner Partido Popular (PP) zu zeigen, gegen die wegen Korruption ermittelt wird. Redakteuren wird vorgegeben, welche Zitate und Bilder sie zu verwenden haben. Als Rajoy im Verfahren um illegale Parteifinanzierung vor Gericht als Zeuge aussagte, wurde den Journalisten von der Programmleitung die Argumentationshilfe aus der PP-Parteizentrale überreicht.
Erklärungen katalanischer Politiker, die die Unabhängigkeit befürworten wurden falsch übersetzt. Eine offizielle Rede des mittlerweile abgesetzten und geflohenen katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont wurde im Informe Semanal – dem spanischen „Weltspiegel“ – mit der Musik des Exorzisten unterlegt. Stücke über die Situation in Katalonien werden oft in Madrid, gegen das, was der Redakteur vor Ort für richtig hält, erstellt. Und am 8. März wurden ausgerechnet Sprecherinnen zum Notdienst verpflichtet, obwohl an diesem Tag tausende Frauen gestreikt hatten. Alle anderen Sender gewährten ihren Mitarbeiterinnen dieses Recht und ließen fast nur Männer arbeiten.
Manipulation gibt es auch im Kleinen. So etwa „der Befehl, Bilder von Kindern in einer Suppenküche für Arme herauszuschneiden, da es so etwas in Spanien nicht gebe“. Oder wenn die rotgekleidete Nationalmannschaft „nicht ‚die Rote‘ genannt werden darf“. Über beide Vorschriften berichten Journalisten auf Twitter.
„Natürlich weigern sich immer wieder Journalisten, die entsprechenden Vorgaben zu erfüllen“ sagt Lara Prieto, Wirtschaftsredakteurin und stellvertretende Vorsitzende des Redaktionsrates in der Nachrichtenredaktion (CdI). Doch habe die Rajoy-treue Direktion einfach Journalisten unter Vertrag genommen, die das dann erledigen.
Normale Redakteure durchlaufen eine schwierige Aufnahmeprüfung und haben danach einen fast Beamten-ähnlichen Status. Sie nutzen diese Sicherheit und protestieren weiter. „Solange die Direktion nicht ausgetauscht wird, werden wir jeden Freitag in Schwarz gekleidet auf dem Bildschirm erscheinen“, erklärt Prieto.
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