Pressefreiheit in Kolumbien: Druckmittel Visum
Freien Korrespondent*innen wird in Kolumbien durch Änderungen bei der Visumvergabe zunehmend die Arbeit erschwert. Das könnte Taktik sein.
„Wir können nicht frei sein, solange wir das Ziel von Screenings, Einschüchterungen, Diskriminierung und Spionage sind“, sagt der Direktor und Gründer des englischsprachigen Nachrichtenportals Colombia Reports in dem Video, in dem er stellvertretend für ausländische Kolleg*innen spricht. „Wir müssen frei von der Unsicherheit arbeiten können, durch konsularische Willkür unser Eigentum, unsere Freunde und unsere Lebenspartner zu verlieren.“
Das Video und der Artikel von Alsema haben nicht nur in den kolumbianischen Medien für ungewohnt große Resonanz gesorgt. Auch namhafte kolumbianischen Kollegen, wie die Investigativjournalisten Daniel Coronell, der aus Sicherheitsgründen in Miami lebt, und Julián Martínez solidarisierten sich.
Hintergrund des Video-Appells sind Fälle von ausländischen Journalist*innen, die Probleme mit ihren Visa-Anträgen hatten. Details aus dem Schriftverkehr hatten bei ihren Kolleg*innen die Alarmglocken schrillen lassen. Denn wenn stimmt, was die Visumsabteilung da schreibt, erfüllt wohl kaum eine*r der Korrespondent*innen künftig mehr die Bedingungen, um dauerhaft aus Kolumbien zu berichten. Fatal in einem Land, das mehr als 50 Jahre bewaffneten Konflikt hinter sich hat und wo Korrespondent*innen oft Themen angepackt haben, die einheimische Medien meiden. Es bliebe nur noch das Besucher-Journalisten-Visum für Kurzrecherchen.
Die meisten sind Freiberufler*innen
Für das Arbeitsmigranten-Visum bräuchten sie einen Arbeitsvertrag und einen Studienabschluss in Journalismus. Letzteres ist verfassungswidrig, weil kolumbianische Journalist*innen ebenfalls keinen brauchen, wie die Stiftung für Pressefreiheit (Flip) eigentlich schon 2018 klarstellte. Viele Korrespondent*innen haben studiert, aber nicht unbedingt Journalismus. Immer weniger Medien leisten sich ein Netz aus Korrespondent*innen, noch weniger mit Verträgen, weshalb die meisten Freiberufler*innen sind. Dass sie sich wie bisher fürs Arbeitsmigranten-Visum bewerben können, schließt die Behörde explizit aus.
Journalist Adriaan Alsema sieht darin Taktik: „Die Regierung will komplett kontrollieren, was in Kolumbien publiziert wird. Wenn jemand schlecht von ihr redet, folgen Bedrohungen.“ Viele kolumbianische Journalist*innen seien eingeschüchtert und schutzlos. „Uns Ausländer können sie nicht umbringen, weil das das Bild von dem Land ohne Gewalt im Ausland stören würde. Sie können uns aber das Leben schwermachen, vor allem bei den Visa.“
Egal ob Taktik oder nicht: Sollten sich die Spielregeln geändert haben, könnte der Aufenthalt für Korrespondent*innen zu teuer werden. Einige Journalist*innen schilderten der taz, was künftig wieder blühen könnte. Ihre Namen wollen sie dazu aber nicht in der Zeitung lesen. Eine Korrespondentin berichtet, dass sie der Diplom-Anerkennungsprozess umgerechnet über 600 Euro gekostet habe. Ein Korrespondent mit einem Journalismusdiplom einer renommierten Uni gab nach mehr als einem halben Jahr Kampf mit dem Bildungsministerium auf. „Ich habe gemerkt, das wird nie etwas.“ Er reiste aus und als Tourist wieder ein – doch als Tourist darf er eigentlich nicht arbeiten.
Die FIip hat aus aktuellem Anlass das Außenministerium in einer Petition zu einer Klarstellung aufgerufen. Die Antwort steht noch aus, sagt Flip-Anwältin Raissa Carillo. Die Stiftung wusste zuletzt von neun Fällen von Korrespondent*innen, die sich im Einzelfall sehr unterscheiden. Die Gemeinsamkeit: „Sie sind freie Journalisten.“ Das Außenministerium hat die Anfrage der taz bis Redaktionsschluss nicht beantwortet. In einer in der ZeitungEl Tiempo zitierten Stellungnahme nannte es fehlende Dokumente als Grund für die Probleme. Auf die Themen Freiberuflichkeit und Abschlüsse ging das Amt nicht ein: „Kolumbien ist offen für Journalisten aller Nationalitäten, welche uneingeschränkt ihrer Arbeit im Staatsgebiet nachgehen können.“
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