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■ Press-SchlagMillowitsch überlebt

Spartak Wladikawkas und der Horrortrip zur Borussia in Nordrhein-Ossetien. Alles noch einmal gutgegangen. Puuh! Alle Spieler von Spartak Dortmundskas und Borussia Wladikawwia haben das Match überlebt. Freuen!

Es war schon eine Frechheit, was die UEFA den armen Spielern von Spartak Wladikawkas zugemutet hatte. Mitten ins deutsche Krisengebiet mußten sie reisen, da wo noch vor kurzem bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten: brennende Ausländerheime, ermordete türkische Minderheiten, Terror der Ewiggestrigen auf den Straßen, und das alles nur wenige hundert Kilometer vom Spielort entfernt. Klingt Mölln nicht nach Höllen? Solingen nicht nach gezückten Messern?

Aber das Spiel mußte stattfinden, befanden die bornierten, erbarmungslosen Fußballbosse. Keine Gnade. Dabei waren alle Argumente auf seiten der russischen Gäste. Deren Manager, Michail Meieradse, hatte der UEFA schon angekündigt, „eventuelle Regreßansprüche für Personen- und Sachschäden gegen sie geltend zu machen“. Präsident Niebaumski sprach von der „moralischen Verantwortung“ und wußte schon vorher: „Es kann kein reguläres Spiel werden.“ Einheimische Medien hatten von einem bevorstehenden Horrortrip geschrieben, und BamS („Die Wahrheit“) sogar martialisch getitelt: „Spartak fliegt in den Krieg.“

Kapitän Susiskas Zorcitsch war es „multig zumute“ vor dem Abflug mit der 1961er Iljuschin. Stürmer Frankas Millowitsch blieb gar ganz zurück: „Todesangst.“ Der Spieler Matthiasi Sammerow befürchtete ein Ende als Märtyrer: „Ich möchte nicht als Held sterben.“ Und der sensible Trainer Ottmarili Hitzfeldowski machte eine ganz und gar dramatische Beobachtung: Seine Kicker hätten zuletzt „lieber die aktuellen Nachrichten aus dem Krisengebiet in Deutschland als die Fußballberichte aus Rußlands erster Division verfolgt“.

Nordrhein-Ossetiens Ministerpräsident Joh. Rauow empfing die Kicker mit einem Rosenstrauß (Vorsicht, Dornen!) und sprach: „Wir haben den Protest der Wladikawkasen nie verstanden. Die Regierung verspricht alle Sicherheit und ein rauschendes Fußballfest.“ Leider war auch Reporter Faßbendwili zugegen. Er erlebte schon vorab „die beste Gastfreundschaft, die ich in 30 Jahren Europapokal je mitgemacht habe“.

Das Spiel endete, nach ziemlich erbärmlichem Gebolze beiderseits, 1:0 – für die todesmutigen Gäste (Torschütze: Chappilikinski). Und das, obwohl sich Spartak-Verteidiger Kutowski sogar vom Platz stellen ließ, um sich früher in den Stadion- Katakomben verschanzen zu können.

Ulas Wickerauskas von TV Ossetia meinte am Abend: Wladikawkas „sicherte sein Überleben im europäischen Fußball“. Na denn – alles noch mal gutgegangen. Bernd Müllender

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