■ Press-Schlag: Yekini – mit 30 entdeckt
Wenn er wüßte, wie schlecht es gerade um den amtierenden deutschen Meister bestellt ist, Rashidi Yekini wäre sehr betrübt. Schließlich ist der SV Werder Bremen sein Traumverein. Mit gutem Grund: Dem nigerianischen Mittelstürmer verrinnt langsam, aber sicher die Zeit für den letzten großen Karrieresprung; im Herbst wird er 30 Jahre alt. Aber er weiß eben, „daß Rehhagel gern mit erfahrenen Spielern arbeitet“.
Obzwar der bullige Torjäger mit dem gedrungenen Rumpf und den scheinbar ewig langen Beinen seit Jahren Tore in Serie schießt, ist er erst jetzt, beim laufenden 19. Afrika-Cup, ins Visier der internationalen Späher geraten. Zum Teil ist diese Aufmerksamkeit der Stagnation im afrikanischen Fußball zuzuschreiben, der fruchtlosen Suche nach neuen, jungen Spielern; andererseits bräuchte der Mittelstürmer im besten Mannesalter talentierte Newcomer gar nicht zu scheuen. Yekinis Form ist konstant, wesentlich durch seine Treffer gelang Nigeria als einzigem Land sowohl die Qualifikation für die Afrika- wie auch für die Weltmeisterschaft. Dafür wurde er 1993 zu Afrikas Spieler des Jahres gewählt.
Und weil Yekinis Vertrag bei dem Lissaboner Vorortverein Vitoria Setubal im Sommer ausläuft, haben diverse Spielervermittler dieser Tage im Hotel Diplomat in Tunis vorgesprochen. Ein Engagement für Petro-Dollars kommt für den gläubigen Moslem allerdings nicht in Frage. Abgrundtief ist seine Abscheu vor den Operettenligen der Scheichs: „Was soll ich in Saudi-Arabien? Da verdiene ich viel Geld. Gut. Aber ich liebe den Wettkampf.“ Am liebsten in Deutschland, Italien oder Frankreich, erstklassig sowieso.
Einzig Nigerias Trainer Clemens Westerhof, Verächter von Lobliedern, deren Objekt ein anderer ist, macht seinen Star madig: „Yekini ist alt. Er spielt nur gut, weil die ganze Mannschaft für ihn arbeitet.“ Wahr ist daran, daß das Team hochklassig besetzt ist, zumindest in der Offensive. Yekinis Duett als Doppelspitze mit Daniel Amokachi vom FC Brügge ist harmonisch; es profitiert von der zentralen Aufbauarbeit Thompson Ohlias (vereinslos) sowie der Flügelspieler George Finidi (Ajax Amsterdam) und Mutui Adepoju (Santander). Auch Augustine Okocha (Eintracht Frankfurt) wird – trotz oder wegen Unstimmigkeiten mit dem Coach – von Match zu Match besser. Im Halbfinale zeichnete sich der Verspielteste, sozusagen Afrikanischste unter den bevorzugt kraftvoll und schnörkellos agierenden Nigerianern als engagierter Antreiber im Mittelfeld aus.
Bis dorthin gebracht hat den haushohen Titelfavoriten Yekini mit vier von bis dahin fünf nigerianischen Treffern. Der hätte in der als vorweggenommenes Endspiel gehandelten Partie gegen Titelverteidiger Elfenbeinküste auch fast allein den eigenen Ambitionen den Garaus gemacht. Zwar gelang Yekini im besten Spiel des Turniers der Ausgleich zum 2:2, doch in der zweiten Halbzeit vergab er ein halbes Dutzend 99prozentiger Chancen zur Führung. Eine derart hohe Quote von Aussetzern leistet sich der Musterprofi selten. Den Frust durfte er sich mit dem finalen Treffer zum 4:2 im Elfmeterschießen von der Seele schmettern.
Von den beiden mit Abstand besten Mannschaften des Turniers muß nun die Elfenbeinküste das bittere Spiel um Platz drei bestreiten. Daß der Gegner das spielerisch schwachbrüstige Mali ist, dokumentiert, wie rasant der Leistungsabfall hinter den Spitzennationen zur Zeit ist. Sang- und klanglos ging der Fußballzwerg 0:4 gegen den zweiten Finalisten Sambia unter. Im Gegensatz zu dem temporeichen, offensiven Schlagabtausch zwischen Nigeria und der Elfenbeinküste hatte diese Partie auch nicht mehr als die paar hundert Zuschauer verdient, die sich im 45.000 Menschen fassenden Stadion El Menzah verloren.
Unwahrscheinlich, daß die nach dem frühzeitigen Ausscheiden ihrer eigenen Mannschaft zu Fußballverächtern gewandelten Tunesier wenigstens noch dem Cup-Finale am Sonntag nachmittag eine würdige Kulisse verschaffen. Immerhin kann sich Nigeria damit trösten, daß in den USA die Stadien proppenvoll sein werden. Freilich ist auch der Erwartungsdruck mittlerweile groß. Italiens Nationalcoach Arigo Sacchi steht mit seinem Tip, Nigeria werde bei seiner WM-Premiere bis ins Halbfinale vordringen, nicht allein da. Und die Fans erwarten ohnehin, „daß wir den Cup holen“, weiß Amokachi. Kein Grund zum Nervenflattern für den 21jährigen: „Als Nigerianer bist du Druck gewohnt von dem Moment an, wo du das Nationaltrikot zum ersten Mal trägst.“ Katrin Weber-Klüver
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