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Press-SchlagSündenböcke

■ Der Krach zwischen Trainer Lienen und Ex-Torwart Rollmann beim MSV

Ein Trainer und ein Spieler sind sich nicht grün. Das kommt im Fußball mindestens so häufig vor wie ein gelungener Querpaß. Zu den Raritäten der Fußballbundesliga aber gehört, daß die Streithähne ihre Händel wortgewaltig in aller Öffentlichkeit austragen und auch noch Tage nach dem Rauswurf des Kickers vehement aufeinander eindreschen.

Die Beteiligten sind zwei branchenuntypisch engagierte Charaktere und wesensähnliche Sturköpfe. Und ihre Kritik ist auch erstaunlich wortgleich. Jürgen Rollmann, beim MSV Duisburg beurlaubter Torwart und Mannschaftskapitän, schimpft, sein Trainer Ewald Lienen habe ihn „gedemütigt“. Und „öffentlich demontiert“. Und hinterrücks „angegangen und vorgeführt“. Alles in allem: „Eine Ungeheuerlichkeit.“ Lienen schimpft zurück, Rollmann habe versucht, ihn „öffentlich vorzuführen“. Und ihn „vor einem Millionenpublikum feige und respektlos anzugehen und zu demontieren“. Quintessenz: „Es ist ungeheuerlich.“

Lienen sei nervös, habe „völlig die Nerven verloren“, ihn „zum Sündenbock gestempelt“, sagte Rollmann nach seiner Auswechslung im verlorenen Spiel gegen Bayern München: Damit verstieß er gegen ein ehernes Gesetz der Branche. Kritik darf nicht an die Öffentlichkeit. Lienen stellte dem Präsidium die Vertrauensfrage: Der oder ich. MSV-Präsident Dieter Fischdick sagt, der inkriminierte Keeper habe bei Schlichtungsversuchen „nicht den Hauch von Einsicht gezeigt“. Auf Wiedersehen. Das war's.

Rollmann ist ein untypischer Kicker. Aufrecht, mit eigenem Kopf, stur geradeaus. Seine Interessen gingen schon lange über Latte und Pfosten hinaus. Allein das vorletzte Wochenende hatte eine beachtliche Terminfülle. Samstags Co-Kommentator bei premiere. Am Sonntag weilte er als Moderator auf der SPD-Großkundgebung in der Dortmunder Westfalenhalle. Abends lief ein Beitrag des angehenden Sportjournalisten Rollmann im TV-Sender arte.

Knallhart (und auch großmäulig), sagen Insider, habe sich Kapitän Rollmann immer für die Interessen der Spieler gegenüber Vorstand und Trainer eingesetzt. Wollte der Präsident über Prämien verhandeln, scheiterten die Versuche schon mal an Rollmanns überbordendem Terminkalender. Bleibt bei all dem nicht zuwenig Konzentration für entgegenfliegende Bälle – Lienen sagt heute, er sei schon länger sportlich nicht zufrieden gewesen mit seinem Kastenhüter. Was wiederum Rollmann hell empört. Er erzählt von reichlich gelungenen Paraden hier und da, von freiwilligen Sondereinheiten im Trainingsmatsch und daß er seine Kindersendung im Lokalradio gerade drangegeben habe.

Aber: War Lienen früher nicht sehr ähnlich? Auch er hatte oft Ärger wegen seiner Meinungs- und Diskutierfreude. Etwa als er Anfang der achtziger Jahre bei Borussia Mönchengladbach als provozierend langmähniger Kicker nicht nur auf dem Platz der Linksaußen war. Lienen kandidierte auf der Friedensliste für den Landtag, stand auf gegen Atomraketen, war Mitgründer der Initiative „Sportler für den Frieden“, debattierte leidenschaftlich über den wahren Weg in eine bessere Welt, protestierte wütend gegen eine Mannschaftsfahrt der Borussen ins rassistische Südafrika und war Vizepräsident der Spielergewerkschaft vdv.

Rollmann, 27, ironischerweise heute vdv-Vize, meint dazu süffisant, er höre „nur immer von dem Klischee Lienen, wie toll der früher so gewesen sein soll“. Diplompädagoge Lienen, dessen Sensibilität sich sonst wohltuend von der üblichen Harthundigkeit abhebt und der als besonders besessener Workaholic unter den Bundesligatrainern gilt, versichert, er sei nicht aufbrausend, nicht autoritär. Aber der Chef. Und da gehöre es „zur Geschäftsgrundlage, mit Spielern nicht in der Öffentlichkeit über Interna zu diskutieren“. Vor allem nicht über seine Entscheidungen als Trainer. Und: „Kritik setzt Verantwortungsbereitschaft voraus, Respekt und Achtung.“

Trotz des gewonnenen Machtkampfs wird der Druck für Lienen nicht kleiner. Sechs Minuspunkte nach vier Spielen lassen sich nicht kündigen. Selbstkritik? „Überreagiert“ habe er nicht. Demnächst wolle er sich aber „mehr unter Kontrolle halten“. Hoffentlich kann auch Ersatzkeeper Pieckenhagen halten – den Mund und die Bälle. Bernd Müllender

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