Press-Schlag: Ohne Goldhaarlöwin
■ Torjägerin Heidi Mohr fehlt beim Fußball-Länderspiel gegen England
Wenn das deutsche Frauenteam heute abend in Preston gegen England spielt, fehlt ein gewohnter Name im Aufgebot. Der von Heidi Mohr (TuS Niederkirchen). Und dies, obwohl die 29jährige, die in 104 Länderspielen 80 Tore erzielt hat, weder verletzt noch beruflich verhindert ist. Die Zeichen mehren sich, daß es die Nationalspielerin Heidi Mohr, die zuletzt am 29. September letzten Jahres in Koblenz gegen Island auflief, fortan nicht mehr geben wird.
So etwas wie ein Rücktritt in Raten ist offenbar schon vollzogen, ohne daß dies jemand zugibt. Im Dezember zum Italien- Spiel hieß es bloß, Heidi Mohr habe „Rückenprobleme“. Zwar ist sie seit längerem wegen ihres Rückens in Behandlung, doch verhinderte das weder in der Bundesliga noch bei Hallenturnieren ihren Einsatz. Von „Motivationsproblemen“ spricht DFB-Assistenztrainerin Silvia Neid, und Cheftrainerin Tina Theune-Meyer fügt hinzu: „Wir überlassen es der Heidi selbst. Sie kann jederzeit wiederkommen, wenn Einstellung und Leistung stimmen.“
Doch Faulheit und schlechte Leistung will sich Heidi Mohr, für ihre Tore bei der WM 1991 in China von der örtlichen Presse als „Goldhaarlöwin“ gefeiert, nicht vorwerfen lassen. Gegen Island erzielte sie mit einem Kopfball aus vollem Lauf das Führungstor, war eine der Besten in einem mittelmäßigen Spiel, wurde aber zur Pause ausgetauscht. Wie schon in den Partien zuvor. Da Heidi Mohr recht wortkarg ist, blieb ihr Ärger über die schleichende Ausmusterung lange verborgen. Öl ins Feuer zu gießen vermeidet sie ebenso wie das Wort „Rücktritt“. Das stehe noch in den Sternen, meint sie, fügt aber hinzu: „Die EM-Vorbereitung läuft bereits. Es bringt nichts, wenn ich die Hälfte verpasse. Es hat für mich Vorrang, mit dem TuS Niederkirchen den Sprung in die eingleisige Bundesliga zu schaffen.“ Daß sie, die in Weinheim bei den Eltern lebt, dort in einem Kaufhaus arbeitet und mit dem badischen Verbandsligisten FV 09 Weinheim zusätzlich trainiert, nun, wie verlangt, beim Zweitligisten SV Waldhof in Mannheim schwitzen soll, vermag Heidi Mohr nicht einzusehen.
In der Frauen-Bundesliga hinken die Strukturen den Anforderungen hinterher. „Heute muß alles passen. Du mußt komplett fit sein, sonst nützt du der Mannschaft nichts“, weiß Nationalspielerin Martina Voss. Doch Halbprofitum ist erst selten realisiert. Während für die Verkäuferin Mohr die freie Zeit immer weniger wird und die Räume auf dem Feld immer enger geraten, klopft zugleich der Nachwuchs vehement an die Tür. Selbst in der Bundesliga wurde die fünffache Torschützenkönigin im letzten Jahr erstmals abgelöst. Rainer Hennies
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen