Press-Schlag: Zukunft mit Kirch
■ Eine europäische NHL statt der Europaliga möchten skandinavische Eishockey-Klubs
Die kaum den Windeln entstiegene Europaliga im Eishockey soll so schnell wie möglich wieder begraben werden. Am liebsten schon zu Ende dieser Saison, wenn es nach dem Willen der skandinavischen Spitzenklubs geht, die gerade letzte Hand ans Konzept einer „richtigen“ Europäischen Hockeyliga (EHL) legen.
Die Europaliga, mit der man gehofft hatte, ans Konzept der erfolgreichen europäischen Fußballwettbewerbe anknüpfen zu können, hat sich als Totgeburt herausgestellt, „da es nur ein Halbfabrikat, keine richtige Liga“ (Eishockeyboß Hasse Andersson vom Göteborger Klub Frölunda) ist. Sportlich weithin uninteressant und finanziell ein Fiasko, da es kaum möglich war, in Skandinavien Interesse für Cracks aus nationalen Spitzenmannschaften wie Mannheim oder Prag im Rahmen eines uninteressanten Pokalwettbewerbs zu wecken.
Es müsse endlich etwas geschehen, bevor die europäischen Klubs vollständig gegenüber der NHL ausbluten, die sich jeden erfolgversprechenden Spieler sofort schnappe, lautet das Motto der Inititatoren von Spitzenklubs aus Schweden und Finnland. NEHL, Nordische Eishockeyliga, soll es schon ab Herbst 1998 heißen. Mit 12 oder 14 Klubs will man starten. 1999 soll die Liga für deutsche Klubs geöffnet werden und das „N“ ablegen. Nach und nach soll die EHL dann auch für weitere europäische Länder, gedacht ist zum Beispiel an Tschechien, offenstehen.
Für den finanziellen Anschub hofft man auf Sponsoren aus der Wirtschaft, von denen einige in Schweden schon Interesse bekundet hätten. Die Einnahmen aus der EHL sollen sich gegenüber heute verdreifachen, womit nicht nur die finanziellen Löcher gestopft werden, sondern auch den Spielern attraktivere Löhne gezahlt werden sollen. Mit der Kirch-Gruppe, die sich kürzlich erst für mehrere Jahre die Senderechte der schwedischen „Elitserie“ gesichert hat, ist man angeblich bereits in Kontakt und habe von dieser für den Fall einer NEHL und gar einer EHL die Zusage für eine kräftige Aufstockung der TV-Gelder erhalten.
Über eine wohlgefüllte Lohntüte hofft man, Spieler in Europa halten zu können. Der Austritt aus den nationalen Verbänden würde zudem gerade für schwedische und finnische Klubs auch ein juristisches Loskommen aus „Knebelverträgen“ mit der NHL bedeuten. Diese wurden vor Jahren geschlossen, sind aber mittlerweile längst überholt. Höchstens ein 50.000-Dollar-Butterbrot muß ein NHL-Klub beispielsweise an einen Verein der höchsten schwedischen Spielklasse zahlen, wirbt er dort einen Spieler vom Format eines Peter Forsberg oder Mats Sundin ab, den dann in den USA oder Kanada ein zweistelliger Millionenbetrag als Gage erwartet.
Wohin das sportlich geführt hat, wird daran deutlich, daß gerade noch ein knappes Zehntel der für Nagano gemeldeten schwedischen Olympiamannschaft nicht in der NHL spielt. Die Bildung einer NEHL oder EHL als ein ernstzunehmendes Gegengewicht wird als einziges Mittel gesehen, das sportliche und finanzielle Ausbluten zu stoppen. Und Europa eine Chance einräumen, beim Kampf um den Titel der weltbesten Klubmannschaft mithalten zu können. Am Ende jeder Saison soll nämlich ein Endspiel zwischen dem Stanley-Cup-Gewinner und dem EHL-Sieger stehen. Reinhard Wolff
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