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Press-SchlagTulpe im Sektglas

■ Im August wird Amsterdam bei den Gay Games zum Schwulen- und Lesbenparadies

Den ersten Sieg haben sie bereits errungen: In der ersten Augusthälfte können Schwule und Lesben in Amsterdam auf der Straße tanzen, ohne dem lästigen Autoverkehr weichen zu müssen. Nach langem Hin und Her willigte die Stadtregierung ein, die Straßen, die dann fest in den Händen der Schwulenszene sind, für den Verkehr zu sperren.

Vom 1. bis 8. August finden in und um Amsterdam die „Gay Games“ statt, die fünften Olympischen Spiele anderer Art. Als Schwulen- und Lesbenmetropole Europas schlug die niederländische Hauptstadt bei der Vergabe durch die „Federation of Gay Games“ die Konkurrenten Sydney und Atlanta aus dem Rennen. Der bisher einzige Wermutstropfen: Shirley Bassey kommt nicht. Dabei hätte niemand den triumphalen Auftaktabend in der Amsterdamer ArenA so ehrenvoll begleiten können wie die Ikone der Schwulenbewegung.

Daß die Schwulenolympiade, die sich seit ihrer Gründung 1982 als Signal gegen Diskriminierung und Ausgrenzung versteht, diesmal außerhalb der USA stattfindet, hat allerdings nicht nur mit dem Reiz des Neuen zu tun: HIV-Positive und Aidskranke dürfen nicht in die USA einreisen.

Schon seit Monaten rotiert in Amsterdam ein 50köpfiges Vorbereitungsteam: schließlich sollen in acht Tagen mehrere hundert Veranstaltungen abgewickelt werden, am liebsten alle in Fahrradentfernung. Damit ist zumindest schon einmal gesichert, daß die Amsterdamer Inszenierung den „echten“ Olympischen Spielen in Sachen Chaos kaum nachstehen wird: Wenn die erwarteten 200.000 Besucher kommen, platzt der Grachtengürtel aus allen Nähten. Schon jetzt ist es fast ausgeschlossen, für die Zeit der Games ein Zimmer für weniger als 400 Mark zu finden.

Alleine 15.000 Aktive aus 40 Ländern werden erwartet, darunter viele aus den ehemaligen Kolonien Surinam, Indonesien sowie von den Antillen. 40 Disziplinen stehen auf dem Programm: klassische wie Schwimmen, Volleyball und Eishockey, aber auch Bridge und Schach. Außerdem haben die Niederländer – natürlich – diverse Wassersportarten im Angebot. Und ein paar Disziplinen, die auf den ersten Blick deutlich machen, daß man es hier nicht mit irgendwelchen Bundesjugendspielen zu tun hat: (Gleichgeschlechtlicher) Paartanz sowie Eiskunstlauf.

Mitmachen kann jeder, ob schwul oder hetero, Mann, Frau, Profi oder Amateur. In manchen Disziplinen gibt es zwei Wettbewerbe, einen für Anfänger, einen für Fortgeschrittene. Auch für Rollstuhlfahrer werden Wettbewerbe angeboten. Mit dem breitgefächerten Programm wollen die Veranstalter „dem olympischen Ideal einen neuen Sinn verleihen“. Zumindest hier soll Dabeisein weiterhin alles sein. Das Motto: „Freundschaft“. Das Symbol: eine Tulpe im Sektglas.

Tatsächlich steht zu erwarten, daß in Amsterdam mehr gefeiert als gekämpft werden wird. Das Kulturprogramm übertrifft den sportlichen Teil bei weitem: 13 Museen, darunter auch die renommierten Rijks-, Van- Gogh- und Stedelijk-Museen stellen schwule und lesbische Kunst aus. 2.250 Sänger werden zum Songfestival erwartet, das von dem ältesten schwulen Männerchor Europas, „Not am Mann“, organisiert wird. Gleichzeitig mit den Wettbewerben laufen außerdem ein Open-air-Film-Festival sowie ein „Coming-out-Festival“. An die hundert Konzerte sollen stattfinden, sämtliche Clubs der Stadt haben schon längst ihre Nächte durchorganisiert.

Für all diejenigen, die trotzdem meinen, ein eigenes Bett zu brauchen, haben die Veranstalter eine Mitwohnzentrale auf die Beine gestellt. Private Unterkünfte werden ebenso vermittelt wie leerstehende Schulgebäude. Sportler werden hier allerdings bevorzugt. Jeannette Goddar

Für einige Disziplinen kann man sich noch bis 30. April registrieren lassen. Kosten pro Wettkampf: 160 Mark. Anmeldeformulare sowie Eintrittskarten und weitere Informationen unter: Gay Games Amsterdam 1998, P.O.Box 2837, 1000 CV Amsterdam, Niederlande. Fon: 0031-20-4271998, E-Mail: infogaygames.nl. Infos auch im Internet: www.gaygames.nl

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