Press-Schlag: Tarnat hört schlecht
■ Trotz des 2:1 der Bayern gegen Leverkusen wartet die Bundesliga auf Erkenntnisse
Sat.1 hatte wieder das komplette Aufgebot einbestellt ins Münchner Olympiastadion zum Spiel des Bundesliga-Zweiten FC Bayern München gegen den Dritten Bayer Leverkusen. Viele, viele Kameras, portable und feste, Kameras auf Schienen (an den Seitenlinien) und Kameras auf Kränen (hinter den Toren), dazu ein Arsenal wild entschlossener Reporter und der Experte Paul Breitner, der die Zuschauer zur Halbzeit ebenso kühn wie dankenswert darauf hinwies, daß Leverkusen, 0:1 hinten liegend, „sich steigern“ müsse, wenn es noch gewinnen wolle.
Sat.1 kennt da ja gar nichts, auch wenn es sich bei dem zu übertragenden Fußballduell eigentlich um ein sehr unbedeutendes Spiel handelt. Und das Kräftemessen zwischen den ärgsten Verfolgern des tabellenführenden Aufsteigers 1. FC Kaiserslautern war unbedeutend. Was hat das Spiel denn an bahnbrechender Erkenntnis eingebracht? Nichts. Die Bayern haben gewonnen, 2:1, was man schon ahnte, weil die Bayern meistens zu Hause gewinnen, wenn es nicht gegen einen Aufsteiger oder Abstiegsbedrohten geht. Leverkusen wird durch die Schlappe wohl nicht in die Champions League einziehen. Hoch interessant. Erstens ist das noch nicht ganz sicher, weil Bayern bei einem Nachholspiel und sechs Punkten Rückstand den FCB durchaus noch überholen kann, und zweitens gehört sich das auch so; der leidlich schillernde Verein ist im Kleine-Leute-Pokal Uefa-Cup besser aufgehoben als im Bewerb der Reichsten und Erhabensten.
Und zur Frage, wer nun Meister wird, hat der Sonntag nur die Gewißheit beigetragen, daß das noch nicht raus ist. Bei einer Niederlage der Münchner hätten sie in Kaiserslautern schon mal ein paar Flaschen Siegessekt entkorken können. Gab es aber nicht, weshalb der wahre Wert der ganzen Veranstaltung erst am Mittwoch abzuschätzen ist, wenn der 1. FCK sein Nachholspiel bei Arminia Bielefeld hinter sich gebracht hat. „Abwarten“, empfahlen deshalb auch die Bayern-Angestellten Nerlinger und Tarnat.
Nach angestrengtem Nachdenken hat man aus dem Kick immerhin noch die Lehre ziehen können, daß man sich auch über mäßige Spiele trefflich aufregen kann, wie Leverkusens Trainer Christoph Daum zeigte; der ließ sich durch Rinks Anschlußtreffer (83.) nicht besänftigen und predigte im Zorn über seine schläfrige Mannschaft nicht nur: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Sondern verkündete auch: „Es gibt keine Wiedergutmachung.“ Und noch etwas fiel auf: Auch ein mäßiges Spiel wie dieses hat seine kleinen amüsanten Geschichten. Zum Beispiel diese: Bayerns 2:0 schoß mit Rizzitelli der langsamste Spieler auf dem Feld. Oder diese: Als Freistoß-Haudrauf Tarnat vor dem 1:0 zum Schuß aufs 30 Meter entfernte Tor anlief, bat Kapitän Helmer höflich: „Laß den Quatsch, flank lieber.“ Tarnat hörte nicht und donnerte den Ball, rums, in den Winkel.
Trotzdem: Sat.1 wäre an diesem Abend auch mit dem halben Aufgebot ausgekommen. Thomas Hahn, München
Leverkusen: Heinen – Nowotny – Wörns (46. Ledwon), Happe – Lehnhoff (50. Rink), Robert Kovac, Ramelow, Frydek, Heintze – Meijer, Kirsten (50. Feldhoff)
Zuschauer: 54.000, Tore: 1:0 Tarnat (16.), 2:0 Rizzitelli (49.), 2:1 Rink (83.)
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