piwik no script img

Press-SchlagDer Feuerwehrmann als Brandstifter

■ Der Bundesliga-Absteiger Karlsruher SC entläßt seinen Trainer Jörg Berger

Das warten auf die Entscheidung hatte die Stadt schon seit Tagen in geradezu fiebrige Erwartung versetzt. Am späten Dienstag abend, nachdem die Herren von Präsidium und Verwaltungsrat zwei lange Sitzungen hinter sich gebracht hatten, fiel endlich jener Entschluß, den Präsident Roland Schmider gestern vormittag mit ernstestem Gesichtsausdruck vor versammelter Presse vortrug: Der Karlsruher SC beendet mit sofortiger Wirkung die Zusammenarbeit mit Trainer Jörg Berger.

Nur ganze fünf Monate hatte der Mann, der Ende letzter Saison nach Karlsruhe gekommen war, um als Feuerwehrmann den KSC vor dem Abstieg zu retten, im Badischen gewirkt, jetzt, bei seinem Abgang, lodern die Flammen des Mißerfolgs im Wildpark stärker denn je. Nach nur drei Punkten in fünf Zweitligaspielen sind die Karlsruher dem Abstieg in Richtung Regionalliga wesentlich näher als dem so vollmundig verkündeten Saisonziel, dem sofortigen Wiederaufstieg, und beim letzten Heimspiel konterten die Fans mit dem Transparent „Drinbleiben!“ die optimistische Vereinsparole „Rauf geht's!“. Mit einem Budget von rund 25 Millionen Mark geht der Club überdies kein geringes finanzielles Risiko ein. „Die von uns getroffene Entscheidung war deshalb unumgänglich“, begründete Roland Schmider den Schritt, den man „ausschließlich aus sportlichen Gründen“ habe tun müssen. Daß er im Anschluß daran Worte des Dankes an Jörg Berger richtete (“er hat sich immer bemüht“), hatte schon fast etwas Rührendes.

Und dürfte doch nicht viel mehr als eine Floskel gewesen sein. Denn durch überdurchschnittliches Engagement hatte Berger in Karlsruhe nicht geglänzt. Schon während der Saisonvorbereitung soll Schmider sich mächtig darüber echauffiert haben, daß der Trainer sich zwecks Urlaub in die Türkei abgesetzt hatte, während in der Heimat noch kräftig am neuen Kader gefeilt wurde. Als dieser schließlich feststand und hätte eingespielt werden müssen, war Berger für einen Reiseveranstalter als eine Art WM-Führer in Frankreich unterwegs. Auch während der Saison war der Trainer recht großzügig mit dem Verteilen freier Tage umgegangen, die letzten beiden auf seine Anweisung hin gab es nach der 0:4-Pleite am vergangenen Sonntag in Cottbus.

Da wirkt um so befremdlicher, daß der 53jährige, zuvor auch schon in Frankfurt, Köln, Schalke und Basel vorzeitig in die Wüste geschickt, so ziemlich bei jeder Gelegenheit darauf hinwies, daß es eben seine Zeit dauere, bis die zwölf Neuzugänge zu einer Mannschaft zusammengefügt seien. „Es ist eine schmerzliche Situation für mich, weil mir diese Zeit und Geduld nicht gegeben wurde“, sagte Berger gestern. Fehler im eigenen Tun scheint er sich nicht unterstellen zu wollen: „Ich bin von Konzept und Mannschaft nach wie vor überzeugt.“

Mit Konzept und Mannschaft muß nun fürs erste Rainer Ulrich (49) leben, zu Saisonbeginn von den Amateuren des FC Bayern München nach Karlsruhe gekommen und nun vom Co- zum Interimstrainer befördert. „Uffz“, wie sie Ulrich nennen, ist in Karlsruhe kein Unbekannter. Als Co-Trainer von Winfried Schäfer galt er Insidern als Entdecker der damaligen KSC-Talente Sternkopf, Kahn und Scholl. Mein Gott, waren das Zeiten! Frank Ketterer, Karlsruhe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen