Press-Schlag Was die DHB-Auswahl auch bei der EM leistet: Handball bleibt eine Nischensportart: Die Hand am Ball lassen
In diesen Tagen darf man einfach kein Nicht-Handball-Experte sein. Schließlich findet in Polen bei der Europameisterschaft gerade ein „Handball-Märchen“ statt, und ob es gar zum „Handball-Wunder“ wird, das entschied sich leider erst nach Redaktionsschluss der taz.
Prompt melden sich die ersten Schlaumeier, die glauben, hier könnte ein Sport den Fußball herausfordern. Der zugebenermaßen nicht wirklich satisfaktionisfähige Internetdienst Focus Online tut sogar so, als habe er sich Gedanken gemacht und mal durchgezählt: „Sieben Gründe, warum Handball viel packender als Fußball ist.“ Da steht dann aber doch so etwas Unwichtiges wie, dass es „mehr Tore“ gibt.
Nein, die Sportart Nummer eins wird der Fußball bleiben, genauer formuliert: der Männerprofifußball. Niemand muss das mögen, niemand muss das für sich selbst und sein eigenes Sportkonsumverhalten akzeptieren, aber es ist halt gesellschaftliche Realität.
Handball kann – was er gerade tut – rund um ein wichtiges Turnier eine kurzfristige Begeisterung auslösen: Wenn sie den Titel haben (und erst recht: wenn nicht), beginnt die Liga wieder, dann wird die Handballmeisterschaft vor dem üblichen Zuschauerschnitt von 4.200 Leutchen ausgetragen und werden auch die Fernsehübertragungen wieder auf das bekannt bescheidene Maß heruntergefahren.
Das liegt nicht an irgendeiner Unattraktivität des Handballs. Der ist ja so spannend und einfach, dass ihn sogar der Focus versteht. Es liegt auch nicht daran, dass das Treten des Balls attraktiver wäre als das Werfen. Der Grund ist vielmehr: Der Fußball war schon da!
Der Siegeszug des Fußballs, den in Deutschland sehr lange die Turner als „Fußlümmelei“ zu verhindern versuchten, fand zu einer Zeit statt, als das Kicken die besten Ausbreitungsmöglichkeiten hatte: Es kann auch ohne nennenswerte Regulierungen gespielt werden, und es braucht nur eine Wiese und einen Ball.
Handball hingegen ist erst durch seine Verwandlung in eine Hallensportart so schnell und attraktiv geworden, wie wir ihn gerade in Polen erleben. Jeder Anlauf, zur hegemonialen Sportkultur zu werden, für den ja die Weltmeistertitel 2007 und 1978 jeweils Hoffnungen machten, scheiterte am übermächtigen Gegner Fußball.
Diese Erfahrung kennen alle Mannschaftssportarten: Den Basketballern hat ihr EM-Gold 1993 und Silber 2005 genauso wenig dauerhaften ökonomischen Erfolg beschert wie den Wasserballern, die 1981 und 1989 Europameister wurden. Kurzfristig, weil sie Stars produzierten, konnten Sportarten wie Golf (Bernhard Langer, Martin Kaymer), US-Basketball (Detlef Schrempf, Dirk Nowitzki) oder auch Tennis (Boris Becker, Steffi Graf) mal aufschließen.
Aber die Begeisterung für diese Sportarten ging und geht nicht mit einer ähnlichen Expertise einher, wie sie in den meisten Ländern – Deutschland inklusive – beim Fußball herrscht. Das nämlich gehört mit zur Wahrheit der aktuellen Handballbegeisterung: So richtig fundiert und auf gründliches Fachwissen zurückgreifend ist sie nicht. Vielmehr bewegt man sich meist immer noch auf einem analytischen Niveau, das sich in „Mehr Tore“ erschöpft.
Martin Krauß
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