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Premier Babiš vereidigtTschechien schwenkt nach rechts

Der Rechtspopulist Andrej Babiš ist neuer tschechischer Premier. Er kündigte an, sich vor allem für Interessen seines Landes einsetzen.

Die feierliche Zeremonie markierte die Rückkehr des Milliardärs an die Macht Foto: Petr David Josek/ap
Florian Bayer

Aus Wien

Florian Bayer

Andrej Babiš ist am Dienstagvormittag auf der Prager Burg vereidigt worden. Der neue tschechische Premier versprach dabei, „nicht nur zu Hause, sondern überall auf der Welt“ für tschechische Interessen zu kämpfen. Die feierliche Zeremonie markierte die Rückkehr des Milliardärs an die Macht, nachdem er vier Jahre in der Opposition verbracht hatte. Noch vor Weihnachten soll auch sein Kabinett vereidigt werden.

Babiš’ Vereidigung ging eine wochenlange Debatte um Unvereinbarkeiten voraus, denn der 71-Jährige ist Eigentümer der von ihm gegründeten Agrofert, einem der größten tschechischen Unternehmen. Präsident Petr Pavel legte Wert auf eine saubere Lösung dieses Interessenskonflikts.

Nach Wochen des Taktierens gab Babiš vergangene Woche bekannt, alle Anteile in einen Trust zu stecken, auf den er selbst keinen Zugriff mehr haben werde. Erst nach seinem Ableben sollen seine Kinder darüber verfügen können. Die Opposition hätte sich eine schärfere Trennung, etwa durch einen Verkauf, gewünscht. Staatschef Pavel gab sich mit der Lösung jedoch zufrieden.

Die neue Rechtskoalition wird von Babiš’ rechtspopulistischer ANO angeführt, die die Parlamentswahl von Anfang Oktober deutlich gewonnen hatte. Juniorpartner sind die rechtsextreme, EU-und Nato-kritische, SPD sowie die ebenso weit rechts stehende Motoristenpartei. Gemeinsam verfügt das Bündnis über 108 der 200 Sitze im Abgeordnetenhaus.

Weniger Militärhilfe für Kyjiw

Das bereits im Oktober veröffentlichte Regierungsprogramm bekennt sich zwar zu Nato und EU. Die Militärhilfe für die Ukraine soll jedoch gekürzt, die tschechische Munitionsbeschaffungsinitiative möglicherweise beendet werden. Stattdessen strebt Babiš eine Wiederbelebung der Visegrád-Kooperation mit Ungarn, Polen und der Slowakei an.

Das Abkommen lehnt zudem den EU-Migrationspakt zur solidarischen Umverteilung von Asylwerbern ab, ebenso wie den Green Deal „in seiner jetzigen Form“. Ökonomen befürchten zudem einen Haushaltskollaps, da das Programm milliardenschwere Sozialleistungen ohne Gegenfinanzierung vorsieht.

Ein weiterer Streitpunkt ist, welche Rolle der Motoristen-Spitzenkandidat Filip Turek spielen soll. Er fiel unter anderem durch NS-verherrlichende Postings, rassistische und sexistische Äußerungen sowie eine Drohung gegen einen saudischen Botschaftsmitarbeiter vor acht Jahren auf.

Überraschende Wendung

Turek hätte Außenminister werden sollen, Präsident Pavel sperrte sich aber dagegen. Nun soll Turek dem Umweltministerium vorstehen, sofern Pavel dies akzeptiert. Künftiger Außenminister soll der Chef der Motoristen Petr Macinka werden.

Allerdings kam es zu einer überraschenden Wendung: Bei der Übergabe der Ministervorschläge an Präsident Pavel am Dienstag fehlte Tureks Name. Babiš erklärte gegenüber Journalisten, dies geschehe aus gesundheitlichen Gründen. Turek hatte sich am Montag wegen Rückenschmerzen operieren lassen, wie Fotos zeigen. Nun soll Macinka vorübergehend beide Ministerien leiten.

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