Prekäre Arbeitsbedingungen bei Amazon: Smartphones als Baumschmuck
In den USA hängen Amazon-Fahrer*innen Handys in Bäume nahe den Verteilerzentren, um mehr Aufträge zu bekommen.
![Handys hängen in einem Baum vor einem Supermarkt Handys hängen in einem Baum vor einem Supermarkt](https://taz.de/picture/4365963/14/Amazon_prekaere_Arbeitsverhaeltnisse_Konkurrenz_Auslieferer_Fahrer-1.jpeg)
Konkurrenz macht kreativ: In den USA haben Amazon-Lieferant*innen Smartphones in Bäume gehängt, um mehr Aufträge zu bekommen. Das ist gewieft, denn kurzfristige Lieferaufträge über die Website „Amazon Flex“ werden dank eines schlauen Algorithmus an die Leute – oder eben die Handys, in die sie sich hacken – vergeben, die am nächsten dran sind.
Der neue Baumschmuck ist in der Region Chicago rund um Amazon-Verteilerzentren und das Amazon-Tochterunternehmen Whole Foods Market, Betreiber einer Biosupermarkt-Kette, zu finden. Über Amazon Flex können sich Menschen mit ihren Privat-Pkws als Dienstleister*in anmelden; seit knapp drei Jahren auch in Deutschland. Auch Apps, die die Seite ständig tracken und automatisch Routen buchen, sind im Umlauf.
Witzig ließe sich die Sache mit den Bäume finden. Doch die Gig Economy ist eigentlich alles andere als lustig: Hier nehmen Menschen in ihrer Freizeit Aufträge für Auslieferungen von Unternehmen an – und konkurrieren miteinander um jede einzelne Fahrt. So hart, dass sie Smartphones in Bäume hängen. Durch die coronabedingte Wirtschaftskrise und die steigende Arbeitslosigkeit in den USA nimmt auch der Druck auf den Arbeitsmärkten erheblich zu.
Dabei ist so eine Selbstständigkeit doch sehr flexibel, wie Arbeitgeber – oder in diesem Fall Arbeitsvermittler – wie Uber, Lyft oder auch Amazon sagen. Oder prekär, so ohne Anspruch auf Lohn im Krankheitsfall oder Sozialversicherungen, sagen andere.
Amazon geht wohl schon gegen Baum-Trick vor
Halb so wild findet das ein Gericht im US-Bundesstaat Kalifornien, das zuletzt eine Anordnung kippte, nach der Uber und Lyft ihre Fahrer*innen künftig wie Angestellte behandeln sollten. Glück gehabt, heißt es aus Sicht der Onlineplattformen. Auf den Kapitalismus ist Verlass.
Und darauf, dass es Unternehmen wie Amazon gibt, die mit einem hübschen kleinen Code, den das Unternehmen laut „Appleinsider“ inzwischen programmiert hat, die Funktionsweise der App ändern und die neue Strategie mit den Bäumen nutzlos machen können – und damit die prekäre Lebensrealität der Arbeitnehmer*innen aka flexiblen Selbstständigen von sich wegschieben.
Wenn es zu sehr menscheln würde, wäre ja das gesamte ausbeuterische System in Gefahr. Da greifen Kapitalist*innen lieber zu systeminhärenten Lösungen, die die Konkurrenz weiter manifestieren, anstatt sich mit Alternativen zu beschäftigen.
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