Preisgekröntes Buch über den IS: Die den Ruhm im Tod suchen
Der US-Journalist Joby Warrick erzählt, wie alles begann mit dem IS. Für die packende Reportage „Schwarze Flaggen“ erhielt er den Pulitzer-Preis.
Bis zum 5. Februar 2003 ist Abu Mus’ab az-Zarqawi ein ziemlicher No-Name – nur in Dschihadistenkreisen kennt man den jordanischen Radikalislamisten. An diesem Tag aber erklärt der damalige US-Außenminister Colin Powell ihn in seiner berühmten Rede vor dem UN-Sicherheitsrat kurz vor dem Irakkrieg zum gefährlichsten Terroristen der Welt.
Diese Adelung gefällt Zarqawi zwar, ist aber verfrüht – zum von Ruhmessucht getriebenen Topterroristen soll er erst noch werden. Von 2004 gehen von ihm ins Netz gestellte Enthauptungsvideos um die Welt; Zarqawi ist es, der al-Qaida im Irak nun groß macht und auch für die meisten Anschläge verantwortlich ist. In Amman plant er einen Anschlag von größerem Ausmaß als 9/11 – der jordanische Geheimdienst vereitelt die Tat jedoch.
In seinem Buch „Schwarze Flaggen. Der Aufstieg des IS und die USA“ schildert Joby Warrick, Reporter der Washington Post,den Aufstieg des islamistischen Terrorismus in Irak und Syrien. Als zentrale Gestalt und Bindeglied zwischen al-Qaida im Irak und dem späteren sogenannten ISIS (beziehungsweise IS) erscheint darin ebenjener Zarqawi.
Turning Points im Irak und Syrien
Dem Autor gelingt es brillant, die Turning Points der jüngeren Geschichte beider Staaten zu markieren. Powells Rede, die dieser später als größten Fehler seiner Karriere bezeichnen soll, ist dabei nur ein Puzzleteil. Warrick betont die Schlüsselrolle des jordanischen Königshauses: In der Haftentlassung Zarqawis 1999 sieht er den Beginn des Aufbaus der Terrornetzwerke. Zarqawi war bereits in den Neunzigern in seiner Heimat sechs Jahre im Knast – im Zuge der Machtübernahme König Abdullahs aber wird er amnestiert.
Joby Warrick: „Schwarze Flaggen. Der Aufstieg des IS und die USA“. Theiss, Stuttgart 2017, 396 S., 22,95 Euro.
Der Schwerpunkt des Buchs liegt auf dem Chaos im Post-War-Irak, das den Terror in diesem Ausmaß möglich machte, auch über Zarqawis Tod 2006 hinaus. Warrick zeigt die inneren Konflikte der US-Behörden auf: Teile der CIA warnen früh vor den bösen Folgen der militärischen Taktik der US-Streitkräfte – die sofortige Auflösung der irakischen Armee gilt ihnen als Kardinalfehler.
„Schwarze Flaggen“ liest sich mit seinen Cliffhangern, seiner starken Personalisierung wie ein Krimi. Mit Abu Mutaz vom jordanischen Geheimdienst Muchabarat hat Zarqawi auch einen „guten“ Gegenspieler.
Zarqawis Biografie schildert Warrick ausführlich; die seines Quasinachfolgers in Diensten des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, eher kurz. Seine Thesen vertritt der Autor stringent, er erzählt packend – und ist dabei nie zu effekthascherisch.
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