Preisexplosion im Großhandel: Wirtschaft vor der Vollbremsung
Die Großhandelspreise steigen so stark wie seit 27 Jahren nicht mehr. Preistreiber sind vor allem Energieprodukte. Auch die Verbraucher werden das zu spüren bekommen.
Europas Wirtschaft gerät ins Straucheln: Im Juli erreichte die Inflation in den 15 Euro-Ländern ein Rekordniveau von 4,1 Prozent, und auch in Deutschland wird der Preisauftrieb immer deutlicher spürbar: Im gleichen Monat hat der Großhandel seine Preise so stark angehoben wie seit fast 27 Jahren nicht. Die Preise lagen dort 9,9 Prozent über dem Stand des Vorjahres, teilte das Statistische Bundesamt am gestrigen Montag mit. Die Preisveränderungen im Großhandel gelten als Indikator für die künftige Inflation, weil der Handel versucht, einen Teil des Preisanstiegs an die Verbraucher weiterzugeben. 2007 legten die Großhandelspreise im Schnitt nur um 3,5 Prozent zu.
Gestiegene Energiepreise sind die Hauptschuldigen des Preisauftriebs im Großhandel. Feste Brennstoffe und Mineralölerzeugnisse kosteten 30,8 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Auch Rohstoffe wie Erze, Eisen und Metall verteuerten sich um 15,7 Prozent. Für Getreide, Saaten und Futtermittel mussten 18,2 Prozent mehr bezahlt werden als im Jahr 2007. Obst, Gemüse und Milchprodukte wurden um etwa 13 Prozent teurer.
"Wir beobachten zurzeit, wie die europäische Konjunktur einbricht", sagte Konjunkturforscher Gustav Horn der taz. Der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung rechnet mit weiteren schlechten Nachrichten. "Ich erwarte für das zweite Quartal einen Rückgang des deutschen Wirtschaftswachstums um 1 Prozentpunkt", sagte Horn. Am Donnerstag wird das Statistische Bundesamt dazu die offiziellen Daten und Zahlen bekanntgeben.
Noch mehr Sorgen macht sich Horn aber um die wirtschaftliche Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte. "Unsere Indikatoren zeigen, dass es dann kaum noch Wachstum geben wird. Nur mit Glück können wir noch eine schwarze Null erreichen", sagte Horn.
Obwohl die konjunkturelle Verlangsamung durch die Finanzkrise in den USA ihren Ausgang nahm, sind die Prognosen mittlerweile vor allem für Europa ungünstig. "Die USA haben die Krise bislang besser verkraftet, als es viele befürchtet haben", sagte Ullrich Heilemann vom Institut für Empirische Wirtschaftsforschung in Leipzig der taz. Die USA hätten mit deutlichen Zinssenkungen und Konjunkturimpulsen ihre Wirtschaft schnell stabilisiert. Nach einer langen Talfahrt hat sich der Kurs des US-Dollars zum Wochenende deutlich erholt. Am Montag war ein Euro nur noch etwa 1,50 Dollar wert - der niedrigste Kurs seit Ende Februar.
"Auch in Europa müssen die Regierungen nun schnell handeln", sagte Heilemann. "Die beste Lösung wäre ein Konjunkturprogramm, mit dem der Staat die einbrechende Nachfrage durch Investitionen in Infrastruktur, Energiesparmaßnahmen und Bildung kompensiert", sagte Heilemann.
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