Preis für Schule: Eine Tulpe für Europa
Eine Europaschule bekommt die Tulpe für deutsch-türkischen Gemeinsinn. Mehr Unterstützung für bilinguale Schulen gefordert.
Demet Siemund freut sich. 5.000 Euro wird die Leiterin der Aziz-Nesin-Grundschule heute als Preisgeld in Empfang nehmen. Für eine Berliner Grundschule ist das eine Menge Geld.
"Damit können wir Ausflüge organisieren für unsere Gastkinder aus der Türkei", sagt Siemund: "Bisher fehlten uns dafür oft die Finanzmittel." Zwei türkische Schulklassen besuchen in diesem Frühjahr für zwei Wochen die Kreuzberger Grundschule. Zuvor waren deren fünfte Klassen ebenso lang in der Türkei. Für diesen seit Jahren gepflegten Schüleraustausch wird die Schule nun mit der Berliner Tulpe für deutsch-türkischen Gemeinsinn ausgezeichnet. Demet Siemund, Berlins erste und bisher einzige Schulleiterin, die selber türkische Wurzeln hat, möchte den Preis ausdrücklich auch "als Anerkennung unserer guten interkulturellen Arbeit insgesamt" verstanden wissen.
An den Europaschulen wird in zwei Sprachen - Deutsch und der jeweiligen Partnersprache der Schule - unterrichtet. Auch Fachunterricht findet in der Partnersprache statt. Europaschulen gibt es mit den Partnersprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Griechisch, Türkisch, Polnisch und Russisch.
Sie wurden vor 17 Jahren als Versuch eingeführt. Heute gibt es 17 Grund- und 12 Oberschulen, die Europaschulstandorte sind.
Der Preis "Berliner Tulpe" wird seit 2006 an Projekte verliehen, die sich für das deutsch-türkische Miteinander in der Stadt engagieren. Stifterin ist die Hamburger Körber-Stiftung, die auch das Preisgeld von 10.000 Euro stiftet.
Diesjährige Preisträger sind die Aziz-Nesin-Grundschule, die für ihren Austausch zwischen Deutschland und der Türkei prämiert wird, und der Fußballverein Türkiyemspor für sein Engagement im Mädchenfußball. AWI
Die Aziz-Nesin-Grundschule ist eine Europaschule. Die Kinder hier lernen Türkisch und Deutsch, auch Fächer wie Musik, Kunst oder Naturwissenschaften werden in türkischer Sprache unterrichtet. Nach der Grundschule können die SchülerInnen das zweisprachige Konzept an der benachbarten Carl-von-Ossietzky-Schule bis zum Abitur fortsetzen. Anders als die Grundschule ist die bisherige Gesamt- und künftigen Sekundarschule nicht komplett Europaschule: Sie nimmt jeweils eine zweisprachige Klasse pro Jahrgang in den normalen Schulbetrieb auf.
So funktionieren die meisten der mittlerweile 29 staatlichen Berliner Europaschulen: Sie sind als bilinguale Zweige in normale Regelschulen integriert. Genau darin sehen Unterstützer und Förderer der Europaschulen mittlerweile allerdings ein Problem. "Solange die Europaschulen mehrheitlich nur Klassenzweige in anderen, normalen Schule sind, bleiben sie Fremdkörper im Schulsystem", sagt etwa der bildungspolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Özcan Mutlu, der die Aziz-Nesin-Schule einst mitgegründet hat.
Dass die Europaschulen, vor 17 Jahren als Schulversuch gestartet, heute immer noch diesen Versuchsstatus haben, ärgert den Grünen: "Die Schulreform hat das Thema völlig außer Acht gelassen." Dabei hätten der Umbau der Oberschulen und die dafür nötige Änderung des Schulgesetzes eine gute Gelegenheit geboten, das zu ändern: "Man hätte sie als Schulen besonderer pädagogischer Prägung wie musik- oder sportbetonte Schulen im Schulgesetz verankern können", so Mutlu.
Sein Vorschlag lautet: Mehrere Europaschulzweige sollten jeweils an einem Standort zu "Europaschulzentren" zusammengefasst werden. Geeignete Schulgebäude würden durch Oberschulfusionen im Rahmen der Schulreform frei. Das würde die Europaschulklassen aus ihrer derzeitigen "Exotenrolle" im Regelschulsystem befreien, so Mutlu: "Solche multilingualen Zentren wären gelebtes Europa."
Schulleiterin Siemund gefällt Mutlus Idee: "Wir wünschen uns schon lange eine intensivere Zusammenarbeit mit anderen Europaschulen", sagt sie. Mehr Austausch untereinander würde die Arbeit der Schulen befruchten, so Siemund: "Das ist sinnvoll für die Schullaufbahn der Kinder." Einen entsprechenden Antrag haben die Grünen vergangene Woche ins Abgeordnetenhaus eingebracht.
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