Präsidentschaftswahlen in der Mongolei: Die Energie der Steppe
Viele Mongolen leben als Nomaden. Doch die Wüste wächst, das Vieh stirbt. Die Präsidentschaftsanwärter wollen das Land zur Ökonation entwickeln.
ULAAN BAATAR taz | Das weiche Gras liegt wie ein Flaum über der weiten Steppenlandschaft von Hustai. Das Gebiet gehört zu einem von 48 Nationalparks in der Mongolei, 150 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Ulaan Baatar. Gelbe Steppenblumen blühen, Schafe grasen, es duftet nach Lavendel.
Doch nur einige hundert Meter entfernt erstreckt sich eine mächtige Sanddüne. „Noch vor fünf Jahren war die Wüste Hunderte von Kilometern entfernt“, erzählt der Hirte Tsenddmor Sharavorji. Nun drohe sie den Nationalpark zu verschlingen.
Die Mongolei ist einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Welt. Der Blick über das scheinbar endlose Grasland erweckt den Eindruck der unberührten Natur. Der Schein trügt. Permafrostböden tauen, Quellen versiegen. Kaum ein Land der Welt ist so vom Klimawandel betroffen wie die Mongolei.
■ Die Wahl: Rund 1,8 Millionen Mongolinnen und Mongolen sind am Mittwoch zur Wahl eines neuen Präsidenten ausgerufen.
■ Die Regierung: Der Präsident in der Mongolei hat zwar vor allem repräsentative Aufgaben. Bei Fragen der Sicherheit und der Außenpolitik kann er dem Premierminister aber Weisungen geben. Darunter fallen auch Entscheidungen zu Investitionen aus dem Ausland, wie etwa zu Bergbauprojekten.
■ Die Kandidaten: Die größten Gewinnchancen hat der seit 2009 regierende Elbegdorj. Er tritt für die Demokratische Partei (DP) an und gilt als eher wirtschaftsliberal. Sein Herausforderer von der Volkspartei (MVP), der Ringer Badmaanyambuu Baterdene, spricht sich dafür aus, dass die Bodenschätze in mongolischer Hand bleiben müssen. Gesundheitsministerin Natsag Udval ist die dritte Kandidatin und tritt für die Mongolische Revolutionäre Volkspartei an. Ihr werden keine großen Chancen eingeräumt.
■ Die Rohstoffe: Die Mongolei hat 3,2 Millionen Einwohner, ist aber flächenmäßig das zehntgrößte Land der Welt. Vor allem aber ist das Land ein Rohstoffgigant. Investoren aus aller Welt buhlen um die Vorkommen von Kupfer, Gold, Kohle und seltenen Erden. Deutschland hat 2011 mit der Mongolei ein Rohstoffabkommen abgeschlossen.
Die Wälder versteppen
Der mittlere Temperaturanstieg in dem Steppenland liegt dreimal so hoch wie im weltweiten Durchschnitt. Im Süden der Mongolei dehnt sich die Wüste Gobi aus. Im Norden lichten sich die einst dichten Taigawälder und versteppen. Dazwischen liegt das weite Grasland, eines der empfindlichsten Ökosysteme der Welt.
Kleine Veränderungen haben weitreichende Folgen. Bleibt im Frühjahr der Niederschlag aus, ist der Lebensraum der nomadisch geprägten Mongolen und ihrer Herden bereits im Frühsommer versteppt. Knallt die Sonne noch im September auf die Ebenen, zerbröselt die feine Schicht des Lösbodens und der Wind weht ihn weg.
Übrig bleibt karstiges Gestein, auf dem im nächsten Frühjahr gar nichts wächst. Und sind die wenigen Wasserquellen im Herbst versiegt, gibt es keine Reserven mehr für den langen Winter. Die Vegetation vertrocknet und hinterlässt ebenfalls Wüsten.
Die vergangenen beiden Winter mit Temperaturen von minus 50 Grad haben den Nomaden hart zugesetzt. Allein in diesem Jahr erfror rund ein Viertel des mongolischen Viehbestands. Dabei waren die mongolischen Hirten einst bekannt für ihre präzisen Wetterprognosen. Dies sei nun nicht mehr möglich, sagt der Hirte Sharavorji. „Das Wetter ist nicht mehr berechenbar.“
Extreme Wetterschwankungen
Das Klima in der Mongolei ändert sich seit Jahrhunderten. Alte Schriften berichten von einst blühenden und fruchtbaren Landschaften. Legendär war die einstige Hauptstadt Karakorum, von der aus Dschingis Khan einst ein Territorium von der Südspitze Vietnams bis Polen regierte.
Heute erstreckt sich die Wüste über die Stadt aus dem 13. Jahrhundert und es sind nur Ruinen übrig. Wetteraufzeichnungen aber zeigen: So extrem wie in den vergangenen Jahren hat das Wetter noch nie geschwankt.
Das extreme Klima hatte die Mongolen einst zum Nomadentum gezwungen. Wenn bereits im September im Norden der Winter ausbricht, packen die Menschen ihre Jurten und ziehen mit dem Vieh gen Süden. Und wenn es ab Mai wärmer wird, kehren sie für die wenigen Sommermonate in den viel fruchtbareren Norden zurück. Das ist seit Jahrhunderten so und die meisten Mongolen lebten im Einklang mit der Natur.
Millionen Pferde, Kamele, Yaks leben von der Steppe
Inzwischen ist das Nomadentum selbst Auslöser für die Umweltprobleme. Die Bevölkerung ist gewachsen, die Zahl der Nutztiere ebenfalls. 20 Millionen Schafe, Yaks, Pferde, Kamele ernähren sich von der Steppe. Vor allem die Übergrasung trägt zur weiteren Versteppung bei. „Wir müssen den Hirten beibringen, dass Futter für das Vieh nicht kostenlos zur Verfügung steht“, sagt Umweltministerin Erdenechimeg Tegshjargal.
Rund ein Drittel der Bevölkerung lebt vom Nomadentum. Das Haushaltseinkommen der Hirtenfamilien liegt bei unter 200 Euro im Monat. Viel brauchten sie bislang nicht, versorgten sie sich weitgehend selbst. Mit der Verstädterung ändert sich das. Für die Kinder gilt die Schulpflicht – was sie in die Hauptstadt zieht. Das wiederum verursacht Kosten für Wohnungen und Lebensunterhalt.
Von den rund 3,2 Millionen Mongolen lebt jeder Dritte in Armut. Bei der Präsidentschaftswahl am heutigen Mittwoch steht jedoch nicht die soziale Frage im Vordergrund, sondern der Umweltschutz.
Besonders gute Chancen werden dem amtierenden Präsidenten Elbegdorj Tsahia der Demokratischen Partei zugesprochen. Der 50-Jährige hat sich zum Ziel gesetzt, die Mongolei zum ersten Ökostaat unter den Entwicklungsländern zu machen. Bereits in wenigen Jahren soll der zentralasiatische Staat Exporteur von regenerativ erzeugter Energie werden. Sonne und Wind gebe es in der Steppe genug, lautet seine Logik. Die Energie müsse nur erschlossen werden.
Traum vom Energieerfolg wie in den Golfstaaten
Auch sein aussichtsreichster Gegenkandidat setzt auf das Thema Ökologie. Badyambuugiin Baterdene von der Volkspartei, ein bekannter ehemaliger Ringkämpfer, will seinen Kontrahenten sogar toppen. Nicht erst in einigen Jahren, sondern unverzüglich sollen weitere Windparks entstehen, Solaranlagen aufgestellt und Stromtrassen gelegt werden.
Baterdenes Vision: Ein Staat, der auf einer Stufe mit den reichen Golfstaaten steht. Statt Öl soll die Mongolei Wind- und Sonnenstrom ausführen.
Ein ehrgeiziges Ansinnen. Die meisten Stromleitungen stammen noch aus Sowjetzeiten. Und auch die Straßen sind in einem miserablen Zustand. 40 Tage hätten seine Mitarbeiter gebraucht, die Rotoren der Windräder aus dem benachbarten China über die Steppe zu transportieren, berichtet der deutsche Ingenieur Jöran Blüthe vom Firmenkonsortium Clean Energy, das den ersten Windpark in der Mongolei errichtet hat.
Goldabbau mit Quecksilber verseucht die Flüsse
Ein weiteres Problem stellt der Bergbau dar. Der Abbau von Gold, Kupfer und Steinkohle boomt aufgrund der weltweiten Nachfrage der vergangenen Jahren und hat sich inzwischen zur wichtigsten Einnahmequelle der Mongolei entwickelt. Vor allem das Schürfen von Gold mit giftigem Quecksilber hat Flüsse und Landstriche verseucht.
Inzwischen lebt mehr als zehn Prozent der Bevölkerung vom Goldabbau. Zwar ist die Regierung dabei, mithilfe des Umweltprogramms der Vereinten Nationen nur noch Minen zuzulassen, in denen auf Quecksilber verzichtet wird. Doch viele Minen werden wild betrieben und entziehen sich damit der staatlichen Kontrolle. Auch hier lässt das Nomadentum grüßen.
Beide Präsidentschaftskandidaten bekennen sich zum Umweltschutz. Wie sie ihn jedoch in Einklang mit dieser lukrativen Einnahmequelle bringen wollen, beantworten sie nicht. Das Gold steht dem Aufstieg der Mongolei zur Ökonation im Weg.
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