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Präsidentschaftswahlen in PeruStichwahl der Extreme

Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Peru scheitern alle Kandidaten der rechten Mitte. In der Stichwahl trifft Linksnationalist Humala auf Präsidententochter Fujimori.

Ist zwar nur zweite, hat aber gute Chancen, nächste Präsidentin zu werden: Keiko Fujimori Bild: DAPD

BUENOS AIRES taz | Perus zukünftige Präsidentin könnte Keiko Fujimori heißen. Am Sonntag schaffte die Tochter von Expräsident Alberto Fujimori (1990-2001) den Sprung in die Stichwahl. Dort tritt sie gegen den Erstplatzierten Ollanta Humala an. Der linke Nationalist erhielt mit rund 28 Prozent zwar die meisten Stimmen, verfehlte aber wie alle anderen Kandidaten auch die absolute Mehrheit.

Keiko Fujimori hatte sich mit 23 Prozent knapp gegen den früheren Wirtschaft- und Finanzminister Pedro Pablo Kuczynski durchgesetzt. Der große Verlierer der Wahl ist der frühere Präsident Alejandro Toledo (2001-2006), der mit rund 15 Prozent Stimmanteil keinerlei Chance auf den Einzug in die zweite Runde hatte. Am 5. Juni kommt es in Peru zum Showdown zwischen dem rechtsnationalen und dem linksnationalen Lager.

Ollanta Humala feierte seinen Einzug in die zweite Runde schon wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale. "Geliebter Nationalismus, geliebtes Peru!," rief er seinen jubelnden Anhängern zu. "Wir stehen auf der Seite der Armen, gegen Korruption und Drogenhandel," so der 48-Jährige. Jetzt gehe es darum, eine soziale Mehrheit für den "Umbau" des Landes zu schaffen.

Humala hatte in den letzten Wochen vor der Wahl kontinuierlich aufgeholt und war am Sonntag als Favorit in die Wahl gegangen. Jetzt steht der frühere Militäroberst zum zweiten Mal in einer Stichwahl um das Präsidentenamt. Mit der Hilfe von Wahlberatern des früheren brasilianischen Präsidenten Lula hatte er versucht, sich vom Image eines peruanischen Hugo Chávez zu lösen. Das hatte ihn 2006 gegen den amtierenden Präsidenten Alan García den Sieg gekostet.

Humala gewann im Süden

Humalas Wählerstimmen kommen vor allem aus dem ländlichen Raum im Süden des Landes. Fünfzehn Provinzen im Süden und im Zentrum des Landes konnte er mit zum Teil über 55 Prozent Stimmanteil für sich gewinnen. Doch die Wahlberechtigten der 7-Millionen-Metropole Lima haben ihr Misstrauen gegen ihn nicht abgelegt. Hier lag er mit gut 20 Prozent noch hinter Fujimori mit rund 23 Prozent. Deutlicher Gewinner in der Hauptstadt ist mit rund 28 Prozent der Wirtschaftliberale Pedro Pablo Kuczynski.

Dessen Anhänger wie überhaupt die gesamte gemäßigt-konservative Wählerschaft wird sich am Tag nach der Wahl die Augen gerieben haben. Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa brachte es schon vor der Abstimmung für diese Klientel auf den Punkt, als er eine Wahl zwischen Ollanta und Keiko als eine "zwischen Aids und Krebs im Endstadium" bezeichnete. Heftig hatte er gescholten, dass sich gleich drei Kandidaten dort gegenseitig die Stimmen wegnahmen, wo Vargas Llosa die Mitte verortet, und damit den Extremen den Einzug in die Stichwahl ermöglichten.

Dass Keiko Fujimori in die Stichwahl einzieht, überrascht vor diesem Hintergrund nicht. Die 35-Jährige konnte ihr vorhandenes Wählerpotential von knapp 20 Prozent mobilisieren und die notwendigen leichten Zugewinne in den letzten zwei Wochen vor der Wahl realisieren. In fünf Provinzen im Norden des Landes konnte sie sich an die Spitze setzen

Weil die Mitte-rechts-liberale Wählerschaft jetzt nackt dasteht und sich dem Schreckgespenst eines peruanischen Chávisten gegenüber sieht, könnte sie am 5. Juni die Nase vorn haben. Noch in der Wahlnacht versprach sie: "Wir werden unsere Aufgaben mit absolutem Respekt für die Demokratie, die Pressefreiheit, die Menschenrechte und den Rechtsstaat nachgehen."

Die knapp 20 Millionen Wahlberechtigten entschieden am Sonntag auch über die Vergabe der 130 Sitze im Kongress. Nach den ersten offiziellen Ergebnissen wird die Partei „Gana Perú“ von Ollanta Humala mit 41 Abgeordneten die stärkste Kraft, gefolgt von Keiko Fujimoris „Fuerza 2011“ mit 35 Mandaten. Einen Achtungserfolg erzielte die Partei von Alejandro Toledo. Sie wurde mit 22 Abgeordneten drittstärkste Kraft. Eindeutiger Verlierer ist die Partei des amtierenden Präsidenten Alan García. Sie ist nur noch mit vier Mandaten im zukünftigen Parlament vertreten.

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4 Kommentare

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  • JS
    James Siever

    Wird auch diesmal wieder – wie 2006 – der „Chávez-Faktor“ für die Wahlentscheidung der Peruaner eine entscheidende Rolle spielen? Dies ist nicht auszuschließen, denn bei den Peruanern ist Hugo Chávez nämlich äußerst unpopulär. Man sieht in ihm einen Diktator, der noch dazu Vladomiro Montesinos, Fujimoris einstigen Geheimdienstchef, nach des-sen Sturz in Caracas untertauchen ließ. Seine offene Partei-nahme für Humala hatte diesem in der Stichwahl vor fünf Jahren den durchaus möglichen Sieg gekostet. Vor allem die städtische Ober- und Mittelklasse hatte ihre Stimme daher lieber dem wegen seiner desaströsen ersten Präsidentschaft in den 80er Jahren eigentlich wenig geschätzten Alan García gegeben.

     

    Aus den Erfahrungen der Stichwahl von 2006 scheint Humala aber gelernt zu haben. Er gibt sich bisher jedenfalls alle Mühe, dass er von den in der Mehrzahl konservativen Medien Perus nicht wiederum als „Strohmann“ von Hugo Chávez karikiert werden kann. Anders als vor fünf Jahren tritt er diesmal nicht nur äußerst moderat und gewinnend auf, statt auf Chávez beruft er sich öffentlich auch lieber auf den in Südamerika angesehenen ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula.

     

    Während Humala sich von Hugo Chávez distanziert hat, verteidigt Keiko Fujimori dagegen nicht nur die Diktatur ihres Vaters, angeblich läßt sie sich von diesem sogar beraten. Sollte sie gewinnen, könnte Peru also künftig aus der Gefängniszelle regiert werden. Oder sie entlässt ihn gar aus der Haft, so wie sie es mal als ihren wichtigsten Programmpunkt angekündigt hat. Trotz ihrer Beteuerungen, sich als Präsidentin an „Recht und Gesetz“ halten zu wollen, wäre dies nicht auszuschließen: Schließlich hätte sie als Präsidentin ja das Begnadigungsrecht!

     

    Dass das Regime von Keiko Fujimoris Vater eine der kriminell-sten und korruptesten Diktaturen in der Geschichte Perus war, scheint allerdings vor allem die jüngeren Wähler nicht zu stö-ren. Viele von ihnen wissen davon, wenn überhaupt, sowieso nur noch vom Hörensagen. In ihren Äußerungen über die Wahlen in Internetforen und Blogs lassen sie jedenfalls mehrheitlich eine deutliche Sympathie für die „china“ Keiko Fujimori als Präsidentin erkennen.

     

    Von einem Präsidenten Humala befürchten sie dagegen, dass er “die Grenzen schließen, die ausländischen Firmen aus Peru rauswerfen und nur noch heimische Marken erlauben will”. Dies läßt auf ein etwas einseitig merkantiles Verständnis von Demokratie bei der jungen Generation der Peruaner schließen, für die Freiheit offenbar zuallererst ungehinderter Konsum bedeutet. Dieser wäre jedenfalls bei einer Präsidentin Keiko Fujimori weiterhin garantiert, da sie die einst vom IWF verlangte und von ihrem Vater durchgesetzte neoliberale Wirtschaftpolitik der offenen Tür sicherlich fortsetzen wird.

     

    Anders dagegen Humala: Sollte er in der Stichwahl vorne liegen, könnte es in Peru wieder zu einem Wechsel hin zu einer mehr staatswirtschaftlich orientierten Politik kommen. So will er nicht nur höhere Investitionen in Bildung und Gesundheit durchsetzen, Humalas Programm zielt auch auf die Förderung von heimischer Industrie und Landwirtschaft, die er durch die freihändlerische Politik von Präsident Alan García bedroht sieht, sowie eine stärkere nationale Kontrolle über Perus Rohstoffe, die derzeit weitgehend in den Händen aus-ländischer Konzessionäre sind.

     

    Es ist ganau diese politische Programmatik, die Humala nicht nur in Perus Geschäftswelt und Oberklasse, sondern auch bei vielen, eher zur Mittelklasse gehörenden Selbständigen und Inhabern von kleineren Betrieben und Geschäften den Ruf eingebracht hat, in Wahrheit ein Kommunist zu sein. Zwar hat er seine früheren Versaatlichungspläne mittlerweile zurückge-nommen. Doch hat er schon angekündigt, dass er auslaufende Konzessionsverträge mit den internationalen Rohstoffmultis nur zu deutlich höheren Abgaben für Perus Staatskasse neu verhandeln will. Dies hat bei den vielen internationalen Inves-toren zu ersten besorgten Reaktionen geführt und auch an Limas Börse sind die Kurse seit langer Zeit mal wieder gefallen.

     

    Sicher wird Humala in der Stichwahl wieder die Stimmen der ärmeren und von den Regierungen in Lima immer schon chronisch vernachlässigten Bevölkerung in den „pueblos jovenes“ der großen Städte sowie den ländlichen Regionen vor allem im Hochland bekommen. Anders als die dünne Ober-schicht und die wohlhabendere Mittelklasse in den städtischen Zentren der Küste haben sie nämlich nicht von Perus seit Jahren anhaltendem und durch die hohen Rohstoffpreise getriebenen Wirtschaftsaufschwung profitiert.

     

    Doch ihre Stimmen alleine dürften Humala nicht zum Sieg über Keiko Fujimori verhelfen. Dazu müsste er zumindestens noch einen Teil der Wähler gewinnen, die in der ersten Runde für einen der ausgeschiedenen Kandidaten wie Ex-Präsident Toledo, dessen früheren Wirtschaftsminister Kuczynski oder Limas ehemaligen Bürgermeister Castañeda gestimmt haben. Unter ihnen könnte Humala am ehesten Unterstützer bei den nicht wenigen einstigen APRA-Wählern finden.

     

    Wegen des Totalausfalls der sozialdemokratischen APRA, die ohne eigenen Präsidentschaftskandidaten in die Wahl am 10. April gegangen war und bei den gleichzeitig stattgefundenen Kongresswahlen nur noch vier (!) der 120 Parlamentssitze erringen konnte, sind ihre einstigen Wähler nämlich nunmehr quasi politisch heimatlos. Wie konnte es nur zu diesem Niedergang dieser ältesten und traditionsreichsten Partei Perus kommen, hatte sie doch die letzten fünf Jahre mit Alan García sogar den Präsidenten gestellt?

     

    Nicht nur die Korruptionsskandale bei der Vergabe von Kon-zessionen an ausländische Rohstoffkonzerne während Alan Garcías auslaufender Amtszeit, die 2008 sogar zum Rücktritt seines Vertrauten Ministerpräsident Jorge del Castillo und dessen kompletter Regierung geführt hatten, sowie seine Ignoranz gegenüber den indianischen Ethnien und ihren Protesten gegen die Explorationen amerikanischer Ölkonzerne im Amazonasgebiet haben die APRA und ihre Anhänger frustriert. Mit seiner neoliberalen, einseitig Kapital und aus-ländische Investoren begünstigenden Politik hat Alan García vielmehr die einstigen politischen Ideale der APRA und ihres legendären Gründers Haya de la Torre verraten und so das sozialreformerische Selbstverständnis der alten Partei ruiniert.

     

    Die APRA kann sich und ihre politischen Traditionen jetzt dagegen durchaus bei Humala wiedererkennen. Tatsächlich könnte dessen Programm in weiten Teilen aus der Feder von Haya de la Torre stammen. Dieser hatte immer für eine bessere gesellschaftliche Integration der Hochlandbauern und indige-nen Bevölkerung sowie für eine die Entwicklung der nationalen Industrie und Landwirtschaft fördernde Politik gekämpft. Auch Alan García hatte während seiner ersten Präsidentschaft in den 80er Jahren noch diese Politik verfolgt. Doch nun scheint eher Humala in der politischen Tradition von Haya de la Torre zu stehen, der – würde er heute wählen – eigentlich für Humala stimmen müsste!

     

    Wie Humala wurde auch Haya de la Torre immer nachgesagt, Kommunist zu sein, und mehrfach hatte Perus alte politische Oligarchie seinen Sieg an der Wahlurne durch Betrug oder mit Hilfe von Interventionen des Militärs verhindert. Für Humala dürfte es jedenfalls nicht einfach werden, diesmal die Stich-wahl für sich zu entscheiden. Perus politische Rechte wird ihre gesamte finanzielle und mediale Macht aufbieten, um dies zu verhindern.

  • C
    Chris

    Es werden zwar im Titel beide Extreme erwaehnt, aber danach geht es nur noch um Angstmache vor Humala. Der naechste Chavez, jaja, blablabla.....

     

    Besser mal wieder jemanden aus Fujimori Familie in der Regierung zu haben.

     

    Und dann noch Neo Faschisten zitieren, die sich in Lateinmerika liberal nennen und von der Friedrich Naumann Stiftung sponsorn lassen. Aus politischer Sicht kann man Vargas LLosa leider nicht mehr anders beschreiben. Da hilft auch der Literatur Nobelpreis nichts mehr.

     

    LG

  • D
    Dr.Benway

    @Günter: Fuerza Social hatte einen Kandidaten - Manuel Rodriguez-, der aber zurückgetreten ist, weil er die mediale Übermacht der anderen 5 Kandidaten,die den kleineren Partein keine Chance liess, für undemokratisch hielt.

  • GK
    Günter Kaiser

    Schade, dass die Partido Descentralista Fuerza Social keinen Kandidat gestellt hat.