Präsidentschaftswahlen in Frankreich: Sarkozy verliert die erste Runde
Der Sozialist Hollande liegt in der ersten Wahlrunde klar vorne. Amtsinhaber Sarkozy verliert stark, nicht zuletzt an die Kandidatin der rechtsextremen Front National.
PARIS taz/afp/dpa | Der Herausforderer François Hollande hat den ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl für sich entschieden: Der 57-jährige Sozialist liegt nach dem vorläufigen Endergebnis bei 28,6 Prozent und damit vor dem konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy mit 27,1 Prozent. Am 6. Mai wird es damit eine Stichwahl nur zwischen den beiden geben. Eine telefonische Umfragen vom Wahlabend sagt für Hollande einen Vorsprung von rund 10 Prozentpunkten in der Stichwahl voraus.
Doch auch dieser Vorsprung ist nicht sicher. Schon die Umfragen vorm ersten Wahlgang hatten besser ausgesehen für Hollande als nun das Ergebnis. Sarkozy und Hollande haben zwei Wochen Zeit, die Wähler, insbesondere die der nun ausgeschiedenen übrigen acht Bewerber und Bewerberinnen, für sich zu gewinnen. Entscheidend könnte dabei ein TV-Duell am 2. Mai werden.
Im ersten Wahlgang vom Sonntag ist es der Kandidatin des rechtspopulistischen Front National (FN), Marine Le Pen, nicht gelungen, den Sprung in die Schlussrunde zu schaffen. Laut dem vorläufigem Ergebnis, zu dem das Innenministerium nach Auszählung aller Stimmen außer der im Ausland lebenden Franzosen kam, erreichte sie mit 18 Prozent einen neuen Höchstwert für den FN.
François Hollande (Parti socialiste, Sozialisten): 28,63 Prozent
Nicolas Sarkozy (UMP, Konservative): 27,08 Prozent
Marine Le Pen (Front national, Rechtspopulisten): 18,01 Prozent
Jean-Luc Mélenchon (Front de gauche, Linke): 11,13 Prozent
François Bayrou (MoDem, Zentrum): 9,11 Prozent
Eva Joly (EELV, Grüne): 2,2 Prozent
(Quellen: dpa/frz. Innenministerium nach Auszählung aller Stimmen außer die im Ausland lebenden Franzosen)
Damit hat sie den Kandidaten der Linksfront, Jean-Luc Mélenchon (11,1 Prozent), auf den vierten Platz verwiesen. Marine Le Pen hat bewiesen, dass sie die Partei unter ihrer Führung ausdehnen konnte. Die Grüne Eva Joly schließlich ist nicht über 2,2 Prozent hinausgekommen.
Sarkozys schlechter als 2007
Bezeichnend für den Ausgang der ersten Runde von 2012 sind die Verluste, die Sarkozy im Vergleich zu 2007 hinnehmen muss. Auf Anhieb hatte er damals mehr als 31 Prozent erhalten und dann zwei Wochen später die Sozialistin Ségolène Royal mit 53 zu 47 Prozent klar besiegt. Die Stimmenverluste von heute zeigen, dass Teile seiner damaligen Wähler entweder zur extremen Rechten oder aber zur linken Gegenseite übergelaufen sind. Das ist ein Zeichen der Unzufriedenheit – oder in manchen Fällen des blanken Ärgers über den „Hyperpräsidenten“, der alles besser wusste und alles allein machen wollte, letztlich aber in den meisten Fragen scheiterte.
Der erste Wahldurchgang war von einer heftigen Polarisierung geprägt. Für viele Wähler schien es von Anfang an, wie bei einem Plebiszit, um die Frage zu gehen, ob Präsident Nicolas Sarkozy ein zweites Mandat bekommen soll oder nicht. Aufgrund der Umfragewerte schien der Sozialist François Hollande der einzige Konkurrent zu sein, der sich ernsthafte Siegeschancen gegen Sarkozy ausrechnen durfte. Beide standen darum im Voraus praktisch als „Finalisten“ der Stichwahl am 6. Mai fest, und beide riefen bis zuletzt die Anhänger der anderen Kandidaten auf, auf dieses Duell zu setzen und „nützlich“ zu wählen.
Hollande hatte darum die Linkswähler ersucht, ihre Stimmen nicht auf die diversen „kleineren“ Konkurrenten (Jean-Luc Mélenchon von der Linksfront, Eva Joly von den Grünen und die beiden Linksextremisten Philippe Poutou sowie Nathalie Arthaud) aufzusplittern, sondern ihn in eine Poleposition für das Finale zu setzen. Für Sarkozy als Amtsinhaber war es besonders wichtig, im ersten Wahlgang vorne zu liegen, um die negativen Vorhersagen der Politologen zu widerlegen.
Ermittlungen wegen Hochrechnungen
Wegen der vorzeitigen Veröffentlichung von Hochrechnungen ermittelt nun die französische Staatsanwaltschaft. Betroffen sind die Nachrichtenagentur AFP, zwei belgische Medien, ein Schweizer Medium, eine Internet-Seite mit Sitz in Neuseeland und ein belgischer Journalist, wie die Staatsanwaltschaft am Sonntagabend in Paris mitteilte.
Mehrere große Medien außerhalb Frankreichs hatten sich über das Verbot in Frankreich hinweggesetzt, Hochrechnungen zu der Wahl vor 20.00 Uhr und damit vor der Schließung der letzten Wahllokale zu veröffentlichen. Auf eine Veröffentlichung von Wahlprognosen und Hochrechnungen vor 20.00 Uhr steht in Frankreich eine hohe Geldstrafe von bis zu 375.000 Euro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste