Präsidentschaftswahl in Tschechien: Ex-Nato-General Pavel gewinnt
Petr Pavel konnte die Präsidentschaftswahl im zweiten Wahlgang für sich entscheiden. Der frühere Ministerpräsident Babis erleidet eine klare Niederlage.
Noch waren längst nicht alle Urnen ausgezählt, als der Sieg des Generals zur Gewissheit wurde: mit einem Stimmvorsprung von fast 17 Prozentpunkten wurde am Samstag der ehemalige Karrieresoldat Petr Pavel zum neuen Präsidenten der Tschechischen Republik gewählt.
Die Stichwahl, nach einem ersten Vorentscheid vor zwei Wochen, war schon lange, bevor sie ihren Höhepunkt erreichte, zum Triumphzug für den 61-Jährigen geworden. Der ehemalige Chef des tschechischen Generalstabs, der seine Militärkarriere 2018 als Vorsitzender des Nato-Militärausschusses beendete, mobilisierte die Wählerinnen und Wähler, indem er das dominierende Thema dieses Präsidentenwahlkampfs beherrschte: Er war nicht Andrej Babiš.
Der Oligarch und Ex-Ministerpräsident Andrej Babiš hatte sich im ersten Wahlgang für die Stichwahl qualifiziert und so die alles entscheidende Frage dieser Wahlen definiert: Wollen wir wirklich als Präsidenten dieser Republik einen Düngemittelfabrikanten, der als Nachwuchskader der kommunistischen Nomenklatura und IM der tschechoslowakischen Staatssicherheit als Außenhandelsdelegierter genug Herrschaftswissen sammeln konnte, um sich während der Privatisierungen der 1990er Jahre die halbe tschechische Chemieindustrie anzueignen?
Den Rest besorgte Andrej Babiš selbst. Hatte er sich in der langen Wahlkampagne vor der ersten Runde Mitte Januar noch aus obligatorischen Kandidatendebatten mit dem Argument herausgehalten, man kenne ihn schließlich, nutzte er vor der Stichwahl jede Gelegenheit, unfreiwillig darzulegen, warum er unmöglich ein Präsident sein könnte.
Ein neuer Havel?
Die tschechische Verfassung bestimmt die Rolle des Präsidenten, als ob die Demokratie nicht ganz ohne Kaiser will. Als Teil der Exekutive ist das Staatsoberhaupt mit der Einführung der Präsidentenwahlen zu einem Tribun geworden, der mittels Volkes Stimme eine alternative Macht zur Regierung darstellen kann.
Hatten die Väter der tschechischen Verfassung die Vollmachten des Präsidenten ursprünglich als reflexiv gemeint, können sie von einem Präsidenten mit Direktmandat durchaus destruktiv eingesetzt werden. Der Präsident ernennt die Regierung und beruft sie ab, er ernennt Interimsregierungen und entscheidet über die Vergabe von hohen Ämtern in Justiz und Zentralbank. Und er ist dazu noch Oberbefehlshaber der Armee.
Warum Andrej Babiš in dieser Rolle so gar nicht dem Selbstverständnis der meisten Tschechinnen und Tschechen entspricht, hat er während des Stichwahlkampfs selbst bewiesen. Offensichtlich unfähig, eine halbwegs informierte Diskussionskultur aufrechtzuerhalten, drehte sich Babiš unaufhörlich im Kreis seiner halbgaren Narrative zum Krieg in der Ukraine: Petr Pavel wolle „unsere Söhne“ an die Front schicken, er selbst aber wolle Frieden, erklärte Babiš in Uncle-Sam-Pose kurz nach seinem Einzug in die Stichwahl von Billboards und auf Zeitungsseiten, verhedderte sich aber dann, als er im hypothetischen Bündnisfall Polen und dem Baltikum die Unterstützung verweigerte. Je mehr Babiš in diesem Wahlkampf zum Maßstab alles Bösen wurde, desto heller erstrahlte die Figur Petr Pavel, der schon seit seinem Ausstieg aus dem Militärdienst 2018 als zukünftiger Präsident gehandelt wurde.
Mit einem weißen Bart, der ein bisschen sehr bemüht an den Mythos des ersten tschechoslowakischen Präsidenten Tomáš Garrigue Masaryk anknüpfen will, und mit seiner bedächtigen Art überzeugte Pavel umso mehr neben Babiš, dessen Rumpelstilzchen-Aura während des Wahlkampfs immer deutlicher zum Scheinen kam.
Das Mandat, das Petr Pavel jetzt errungen hat, ist eindeutig und einmalig. Schon jetzt wird der ehemalige Elitesoldat der Tschechoslowakischen Volksarmee als der neue Václav Havel verklärt, der den Sieg von Wahrheit und Liebe über das Land bringe. Ob Andrej Babiš nach seiner dritten großen Wahlniederlage von der politischen Bühne verschwindet, bleibt offen.
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