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Präsidentschaftswahl in PolenDer Wechsel war unaufhaltsam

Die Wähler hatten den altväterlichen Bronisław Komorowski satt und wählten Andrzej Duda zum Präsidenten. Jetzt muss er liefern.

Und alle wollen ein Selfie mit ihm: Andrzej Duda. Bild: reuters

WARSCHAU taz | Andrzej Duda war vor gut drei Monaten noch ein weitgehend unbekannter Politiker in Polen. Selbst in seiner Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) assoziierten die meisten bei dem Namen „Duda“ den Vorsitzenden der Gewerkschaft Solidarnosc und nicht etwa den Hinterbänkler aus den eigenen Reihen.

Doch dem Nobody gelang ein kometenartiger Aufstieg. Seit Sonntag ist der 43-jährige Jurist aus Krakau mit 53,8 Prozent der Wählerstimmen neuer Staatspräsident Polens. Im September wird er in den Warschauer Präsidentenpalast einziehen, nur einen Monat vor den Parlamentswahlen in Polen.

Die Ochsentour hat sich für den konservativen EU-Abgeordneten gelohnt. Statt im Straßburg für die Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) zu sitzen, zu der auch Bernd Luckes Alternative für Deutschland und die Partei des britischen Premierministers David Cameron gehören, nahm Duda dort Urlaub und zog monatelang mit seinem „Duda-Bus“ über die polnischen Dörfer, schüttelte Zehntausenden Bauern die Hände, hörte sich deren Sorgen und Nöte an und betete hin und wieder auch mit ihnen. Im tiefkatholischen Ostpolen kam das gut an. Dass sich überhaupt mal ein Politiker aus Warschau im sogenannten „Polen B“ nahe der Grenze zu Weißrussland und zur Ukraine sehen ließ, wurde ihm hoch angerechnet.

Sein stets freundliches Lächeln nahm auch Jungwähler für ihn ein, die sich an die Regierungszeit der PiS in den Jahren 2005 bis 2007 nicht mehr erinnern können. Sie waren es leid, die immer gleichen Gesichter der seit acht Jahren regierenden liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) zu sehen, fühlten sich vom altväterlich-jovialen Ton des amtierenden Präsidenten Bronisław Komorowski genervt und stimmten ganz bewusst für den „Neuen“.

Die Gefahr, dass sich der immer freundlich lächelnde Nationalkonservative als Parteikarrierist entpuppen könnte, der – einmal im Amt – nur noch wie eine Marionette den Anweisungen seines Parteichefs Jaroslaw Kaczynski Folge leisten würde, wiesen Dorfbewohner wie junge Polen als „Angstmache vor der PiS“ zurück. Sie erwarten nun von Duda, dass er seine zahlreichen Versprechen wahrmacht und das Renteneintrittsalter herabsetzt, den Jungen Arbeit verschafft, den Steuerfreibetrag heraufsetzt, das Kindergeld erhöht, die Renten steuerfrei stellt, die Banken zwingt, die Hypothekenkredite in Schweizer Franken, die viele Polen vor Jahren billig aufgenommen hatten, nun zum Ausgabepreis in einen Zloty-Kredit umzuschulden.

Zurückhaltung in außenpolitischen Fragen

Zwar hatten Kritiker von Anfang an das Füllhorn Dudas als völlig illusorisch und finanziell untragbar kritisiert, doch den Wählern war das egal. Sie gehen davon aus, dass Duda zumindest einen Teil seiner Versprechen wird umsetzen müssen. Das wäre dann immer noch mehr als die finanziell eher mageren Wahlversprechen Komorowskis, der dafür immer wieder auf die Budgethoheit des Parlaments verwiesen hatte.

Während des Wahlkampfs hatte sich Duda zu außenpolitischen Fragen zurückgehalten, obwohl neben der Verteidigungs- gerade auch die Außenpolitik zu seinem Kompetenzbereich gehört. Er machte allerdings klar, dass Polen künftig „selbstbewusster“ in der EU und Nato auftreten müsse, nicht mehr im Mainstream mitschwimmen solle, sondern auf die eigenen Interessen pochen solle. Ob er nun gegenüber Russland schärfere Töne anschlagen will, ließ er offen.

Seine Partei zumindest geht von einem politischen Anschlag auf den Präsidenten 2010 in Smolensk aus. Seine Wähler erwarten sicher von ihm, dass er nun das Flugzeugwrack und die eine noch in Russland verbliebene Blackbox vehement zurückfordern wird. Auch mit Deutschland müsse ein „neuer intensiver Dialog“ aufgenommen werden, da es zwischen Polen und Deutschland viele Differenzen gebe. 2016 steht mit dem 25. Jahrestag der Unterzeichnung des Nachbarschaftsvertrages ein wichtiges Datum in den deutsch-polnischen Beziehungen an. Sollt die PiS auch die Parlamentswahlen im Herbst gewinnen, stehen Polen, seinen Nachbarn im Osten und Westen sowie der ganzen EU schwierige Zeiten bevor.

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3 Kommentare

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  • "Jetzt muss er liefern." Gilt das auch für Tsipras? Der hatte 300.000 neue Arbeitsplätze versprochen.

    • @Chutriella:

      Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, daß Duda als Nationalist ein weiterer Spalter Europas (nicht der EU) ist.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Bei Herrn Duda besteht die Gefahr, dass er spaltet. Und Herr Tsipras trägt auch nicht gerade zu einem vereinten Europa bei. Beide halte ich grundsätzlich für kein Problem Europas.

         

        Angehende Ministerpräsidenten versprechen im Wahlkampf alles mögliche, was dann nicht passiert (es wird halt nie "geliefert"), und das Wahlvolk ist dann frustriert. Das finde ich eher problematisch.