Präsidentschaftskandidatur in Frankreich: Allianz in der Mitte
Der Zentrumsdemokrat Bayrou unterstützt den sozialliberalen Kandidaten Macron. Das soll einen Durchmarsch der Rechten verhindern.
Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch erklärte Bayrou, was ihn zu diesem Schritt bewegt hatte: Die Lage Frankreichs sei dramatisch. Die Bilanz der scheidenden Regierung und des Präsidenten François Hollande sei so schlecht, dass die Sozialisten als Kandidaten einen – internen – Oppositionellen (Benoît Hamon) gewählt hätten. Die von François Fillon repräsentierte bürgerliche Rechte dagegen sei durch Finanzaffären und Interessenskonflikte moralisch diskreditiert. Viele Wähler wüssten nicht mehr, was sie in dieser Situation tun sollten.
Weil die Demokratie durch den Vormarsch der extremen Rechten gefährdet sei, komme für ihn eine zusätzliche Zersplitterung nicht in Frage, betonte Bayrou. Er wünscht sich von Macron, dass er im Falle seiner Wahl ein Gesetz zur Verhinderung von Interessenskonflikten zur Moralisierung der Politik vorbereitet.
Vieles verbindet die beiden: Wie Bayrou schon seit Jahren will auch Macron die traditionelle Spaltung von links und rechts überwinden. Beide sind klar proeuropäisch – was heute in Frankreich schon Seltenheitswert hat –, aber sie sind auch für eine realistische Finanzpolitik, für liberale Reformen und einen sozialen Dialog.
In Wirklichkeit aber kaperte Macron Bayrous Platz und ließ ihm keine andere Wahl. Im Fall einer vierten Kandidatur hätte Bayrou nur mit lächerlichen fünf Prozent rechnen können. Darum zog er es vor, seinen Entscheid als selbstlose und großzügige Geste „im Interesse der Allgemeinheit“ darzustellen und als Partner Einfluss auf das Programm von Macron zu nehmen.
Alles für die Publicity
Bayrou hatte bis zu seinem Auftritt am Mittwochnachmittag für Spannung gesorgt und sich von niemandem in die Karten schauen lassen. Kandidiert er, kandidiert er nicht? Falls nicht, wen würde er unterstützen? So schafft man Publicity, selbst als Politiker, der eigentlich in seinem Land bereits als Gestriger gelten müsste.
Der 65-Jährige aus dem französischen Südwesten am Rand der Pyrenäen hat aber auch große Erfahrung. Er hat mit seinen regelmäßigen Kommentaren zur Tagespolitik in den Medien auch den Ruf eines Weisen erlangt. Obwohl er und seine Minipartei MoDem an Mandaten und Wahlergebnissen nicht viel darstellen, hat sein Wort Gewicht.
Bayrous Verzicht auf eine Kandidatur wird für Fillon zu einem Problem. Dieser ist durch die «Penelopegate»-Finanzaffäre so geschwächt, dass er trotz seiner unzweideutigen Nominierung im November weiterhin Mühe hat, sich im eigenen Lager durchzusetzen. Dieses moralische Handicap gab für Bayrou – mehr noch als die politischen Affinitäten – den Ausschlag, auf die Karte Macron zu setzen.
Bereits 2012 hatte er sich in der Stichwahl für François Hollande und gegen den damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy ausgesprochen, weil dieser sich in seinen Augen mehr durch seinen Stil als durch seine Politik diskreditiert hatte. Man versteht es, dass Bayrous Ankündigung im Hauptquartier von Macron Jubel und bei Fillon dagegen Gezeter auslöste.
Fillons Sprecher Thierry Solère und Eric Ciotti sind aufgrund der Vorgeschichte von Bayrous „Verrat“ nicht überrascht. Dieser habe „für ein Linsengericht“ mit seiner Allianz „ein zweites Mal Hollande gewählt“, sagten sie. In Umfragen aber liegt Macron wieder vor Fillon als Favorit im Rennen.
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