Präsident säubert Justiz: El Salvador auf autoritärem Kurs
El Salvadors Präsident Bukele nutzt seine neue absolute Mehrheit im Parlament, um die Justiz auf Linie zu bringen. Kritiker sehen das Ende der Demokratie.
Für Nayib Bukele ein Erfolg, für Analysten wie Ricardo Castaneda vom Zentralamerikanischen Steuerforschungsinstitut (Icefi) ein „tödlicher Schlag für die Transparenz“. Das Gesetz werde Korruption und Vetternwirtschaft begünstigen, prophezeit Wilson Sandoval vom Zentrum für Antikorruptions-Beratung (Alac) gegenüber dem investigativen Online-Magazin El Faro.
Das ist ernüchternd angesichts der Tatsache, dass Bukele 2019 auch angetreten war, um die Korruption im etablierten Parteienlager zu bekämpfen. Das Gegenteil ist nun der Fall, und der Wandel des überaus populären Präsidenten vom Hoffnungsträger zum Totengräber der Demokratie erfolgt in einem rasanten Tempo; sagt Saúl Baños, Jurist und Direktor der Menschenrechtsorganisation Fespad. Er wirft dem 39-jährigen Präsidenten vor, die totale Kontrolle über Exekutive, Legislative und Judikative anzustreben. „Dafür hat das Parlament auf Wunsch Bukeles am 1. Mai mit der Entlassung der Verfassungsrichter und des Generalstaatsanwalts bewusst Verfassungsbestimmungen verletzt. Die Gewaltentrennung in El Salvador ist Geschichte“.
Der parlamentarische Putsch gegen die Judikative hat international für reichlich Kritik gesorgt. Nayib Bukele ficht das nicht an. Per Tweet wendete er sich am 2. Mai an seine internationalen Kritiker: „Wir säubern unser Haus.... und das fällt nicht in ihre Zuständigkeit“, schrieb er. Einen Tag später folgte der Satz: „Das Volk hat dafür gestimmt“.
Exzellent geölte PR-Maschinerie
Unstrittig ist, dass Nuevas Ideas, die Partei des Präsidenten, bei den Regionalwahlen Ende Februar die absolute Mehrheit im Parlament erhielt. Dass aber Gesetzesvorlagen im Parlament erst gar nicht mehr diskutiert werden, ist auch in Bukeles El Salvador neu.
Abstimmen, wie Nayib Bukele es für richtig hält, scheint die Devise vieler Neu-Parlamentarier, deren Qualifikation kritische Online-Redaktionen schon im Vorfeld der Wahlen im Februar in Frage gestellt hatten. Nur hat das anscheinend nur wenige Wähler*innen erreicht, denn die Public Relation-Maschinerie der Regierung ist exzellent geölt. Regierungsnahe Fernsehkanäle agieren als Verlautbarungs- und Werbeorgane genauso wie die neue Tageszeitung der Regierung Diario El Salvador.
Dort wurde die Entlassung der fünf Verfassungsrichter als Triumph Bukeles gefeiert. Mit den Richtern war Bukele bereits mehrfach in Konflikt geraten, zum ersten mal im März 2020. Damals versuchte Bukele, mit rigiden Verordnungen die Corona.-Infektionszahlen auf Kosten der Grundrechte unter Kontrolle zu bekommen. Verstöße gegen die Quarantäne wurden laut der Verordnung Nummer 19 mit der Festnahme und der vierwöchigen Einweisung in staatliche Einrichtungen, die sogenannten „Eindämmungszentren“ (Centro de Contención), geahndet.
Von Polizei und Militär wurden damals noch nicht einmal die Namen von mehreren Tausend Zwangseingewiesenen preisgegeben. Da intervenierte das Verfassungsgericht. Doch Nayib Bukele setzte sich über das Urteil hinweg, wies die Ordnungskräfte an, sich auch weiterhin an die Verordnung Nr. 19 zu halten. Ein klarer Verfassungsbruch. Zwölf Monate später nun hat das willfährige Parlament die unbequemen Verfassungsrichter ganz bewusst aus dem Weg geräumt, meint der Jurist Saúl Baños.
Internationaler Gegenwind zu Bukeles Säuberungen
Allerdings waren die internationalen Reaktionen eindeutig. US-Vizepräsidentin Kamala Harris zeigte sich zutiefst „besorgt für die Demokratie in El Salvador“, die Organisation amerikanischer Staaten (OAS) warnte davor, das Gleichgewicht des demokratischen Systems zu beschädigen, und die Europäische Union und auch Deutschland kritisierten die Unterminierung der Gewaltenteilung durch das Parlament.
Neben den obersten Richtern entließ das Parlament zudem Generalstaatsanwalt Raúl Melara. Alle Ihre Nachfolger wurden direkt im Anschluss vorgeschlagen, gewählt und vereidigt. Durchaus legitim, denn die absolute Mehrheit im Parlament ermöglicht dieses Vorgehen der Fraktion von Nuevas Ideas. „Illegal“ sei jedoch die Absetzung als solche gewesen, denn der Verfassungsartikel 186 lege en detail fest, unter welchen Voraussetzungen die höchsten Richter des Landes abberufen werden können – keine dieser Bedingungen hätte jedoch zugetroffen, kritisiert Saúl Baños.
Eine Einschätzung, die auch der Amerika-Direktor von Human Rights Watch, José Miguel Vivanco, teilt. „Bukele bricht mit dem Rechtsstaat und versucht alle Macht in seinen Händen zu konzentrieren“, schrieb er auf Twitter.
Reaktionen, die deutlich machen, dass Bukele trotz absoluter Mehrheit im Parlament mit internationalem Gegenwind bei der Transformation El Salvadors zu rechnen hat. Reinigen will er das mittelamerikanische Land von den Strukturen, die es die letzten 30 Jahre geprägt haben, so ist auf seinem Twitter-Account zu lesen. Gemeint sind dabei die Absprachen zwischen der konservativen Arena Partei und der linken, aus der Guerilla hervorgegangenem FMLN, die das Land kaum voran, aber immerhin demokratische Strukturen gebracht haben.
Genau die stehen unter Bukele zur Disposition, denn unstrittig ist unter Kritikern, das auch die Ombudsstelle für Menschenrechte, das Wahlgericht, der Rechnungshof und weitere hohe Gerichte des Landes unter Druck geraten könnten. „Nayib Bukele will die Kontrolle über den kompletten Apparat“, meint Saúl Baños. Er hofft, dass die internationale Aufmerksamkeit und die neue US-Regierung ihn bremsen werden.
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