: Präsident Sarney droht Anklage
■ Brasilianischer Staatsanwalt wirft der Regierung „Quasivölkermord“ an Yanomami-Indianern vor
Brasilia/Berlin (taz/ap) Wenige Wochen, bevor der brasilianische Staatspräsident Jose Sarney aus dem Amt scheidet, droht ihm eine Verfassungsklage. Auf Antrag des stellvertretenden Justizministers Carlos Mucci soll die Abgeordnetenkammer in Brasilia heute entscheiden, ob Sarney als Mitverantwortlicher für die drohende Ausrottung der 8.000 Yanomami-Indianer angeklagt wird. Mucci wirft der Regierung einen „Quasivölkermord“ vor, weil sie seit 1987 den Zustrom von Goldgräbern in das bis dahin unberührte Dschungelgebiet im Bundesstaat Roraima duldete.
Die 40.000 Goldgräber, die sich der einflußreichen Lobby der Goldkäufer erfreuen, haben etliche Infektionskrankheiten eingeschleppt, verseuchen die Flüsse mit Quecksilber und überfallen die Dörfer der Indianer, um sie zu vertreiben. Allein an den importierten Krankheiten starben bislang 1.500 Indianer. Nach einer Weisung des obersten brasilianischen Bundesgerichts hätten die Goldgräber längst evakuiert werden sollen, die Regierung hatte sich aber - nach langem Zögern lediglich zu einem faulen Kompromiß durchgerungen. Die Goldgräber sollen zwar das Gebiet verlassen, allzuweit umziehen brauchen sie aber nicht: Am vergangenen Freitag unterschrieb Sarney eine Verfügung, mit der zwei große, an die Reservate angrenzende Gebiete für die Ausbeutung von Bodenschätzen freigegeben werden. Staatsanwalt Mucci versucht nun die Verfügung über eine Verfassungsklage rückgängig zu machen: Er wirft dem Präsidenten eigenmächtiges Vorgehen vor, denn nach der Verfassung habe nur das Parlament das Recht, Bergbaugebiete auszuweisen und festzulegen, welche Bodenschätze abgebaut werden können.
Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker erwartet sich von den Vorwürfen gegen Sarney wenig Veränderung: „Sarney soll kurz vor seinem Abgang die Rolle des Sündenbocks übernehmen. Die Indianerbehörde, die lange Zeit nichts unternommen hat, ist genauso schuldig. Warum wird sie nicht angeklagt?“
go
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