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Potsdams Top-KickerinnenTurbine dreht wieder auf

Dem Trainer des Potsdamer Frauenfußballteams ist ein kleines Wunder gelungen: Er hat nach vielen Abgängen erstaunlich schnell ein neues Team geformt. Jetzt spielt Turbine wieder mit im Titelkampf - und das nicht nur in der Bundesliga

Vier gewinnt - so könnte man verknappt das Geschehen in der Frauen-Fußballbundesliga auf eine Formel bringen. Die vier stärksten Teams - der 1. FFC Frankfurt, FCR Duisburg, Bayern München und Turbine Potsdam - haben die Konkurrenz weit hinter sich gelassen. Die entscheidende Meisterschaftsfrage klärt das Quartett ausschließlich im direkten Aufeinandertreffen.

Deshalb dachte Potsdams Trainer Bernd Schröder bereits im Vorfeld des Sonntagsspiels gegen den Tabellenletzten TSV Crailsheim vor allem an den kommenden Mittwoch und die Nachholpartie gegen den Erzrivalen Frankfurt. "Wenn wir da drei Punkte holen, sind wir international dabei." Crailsheim war in der Tat nicht mehr als ein Pflichtspiel mit Testcharakter, das Turbine souverän 4:0 gewann.

Im Dezember, bekennt Schröder, hätte keiner mehr im Team an Platz zwei und der damit verbundenen Qualifikation für die neue Uefa-Womens Champions League oder gar an die Meisterschaft gedacht. Damals verlor nämlich sein Team unglücklich bei Bayern München (1:2) ein vermeintliches Schlüsselspiel. Und die Meinung vieler Experten schien sich zu bestätigen, dass Turbine das schwächste Glied in der dominanten Viererkette der Liga sein werde. Einige wähnten Potsdam gar auf Dauer im Nachteil. Zehn deutsche Nationalspielerinnen haben in den vergangenen drei Jahren Potsdam verlassen. Das Erfolgsteam, das zwischen den Jahren 2004 und 2006 drei Pokalsiege, zwei Meistertitel und einmal den Uefa-Cup gewann, hatte sich aufgelöst. Weil dabei auch Kritik am autoritären Führungsstil des 66-Jährigen an die Öffentlichkeit kam, galt Schröder bei einigen als das Hauptproblem beim brandenburgischen Vorzeigeverein.

Dass es ihm gelingen würde, innerhalb von nur zwei Jahren wieder eine Elf zu formen, die um den Meistertitel mitspielt, überrascht viele. Zudem muss Turbine nur noch Zweitligist Wattenscheid schlagen, um ins Pokalfinale einzuziehen. Schröder verspürt offensichtlich Genugtuung: "Uns hatte vor der Saison keiner auf der Rechnung. Das hat uns schon geärgert." Dabei gesteht er, selbst nicht mit der rasanten Entwicklung gerechnet zu haben. "Eigentlich wollten wir erst 2011 Deutscher Meister werden. Das können wir nun früher schaffen."

Turbine Potsdam hat fraglos die Zukunft vor sich. Das stellte der Club auch vor gut einer Woche eindrucksvoll unter Beweis - sogar in zweifacher Hinsicht. So gewann man souverän 3:0 beim Tabellenführer Duisburg und zog mit diesem nach Punkten gleich. "20,3 hat gegen 24,4 gesiegt", sagt Schröder stolz. Er hat das Durchschnittsalter der Teams genau im Kopf. Mit Marie-Louise Bagehorn und Tabea Kemme haben sich diese Saison gleich zwei 17-Jährige in die Stammelf gespielt. Der Trainer profitiert von der vorzüglichen Nachwuchsarbeit des Vereins, die er mit aufgebaut hat.

Zum anderen überraschte Turbine nach dem Erfolg mit der Nachricht, dass man die Duisburgerinnen Corina Schröder und Lira Bajramaj verpflichtet habe. Vor allem der Zugang der populären 20-jährigen deutschen Nationalspielerin Bajramaj sorgt in der Liga für Aufruhr. "Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele gute Bundesligaspielerinnen uns letzte Woche angeboten wurden", sagt Schröder lächelnd. Der Trend der vergangenen Jahre scheint sich umzukehren: Schröder wirkt auf arrivierte Fußballerinnen nicht mehr abschreckend.

Mit der Verpflichtung von Bajmaraj hat sich Turbine nicht nur verstärkt, sondern auch die direkte Konkurrenz geschwächt. "Es ist das erste Mal, dass wir so etwas machen", erklärt Schröder. Der Anfang einer neuen Vereinspolitik? Dem Trainer ist die Frage etwas unangenehm. Er sagt: "Es scheint, als ob wir auf die Entwicklung der Gesellschaft gehört hätten." Seit Jahren warnt er davor, den kommerzgesteuerten Männerfußball zu kopieren. Frauenfußball, findet Schröder, soll kein Geschäft sein.

Bajmaraj habe man verpflichtet, so stellt er klar, weil sie von ihrem Alter und ihrer Spielweise gut zum Kader passe. Noch wichtiger dürfte aber das hiervon ausgehende Signal sein, dass Potsdam wieder ein Standort mit großer Zukunft ist.

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