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Potsdamer UferstreitDer Aufstand der Villenbesitzer

Privatwohl geht vor Allgemeinwohl: Nach jahrelangem Streit haben die Anwohner den Mauerweg am Griebnitzsee gesperrt. Die Stadt will das nicht hinnehmen. Ein Selbstversuch zeigt: Noch kommt man durch.

Einfach mal am direkt am Ufer lang um einen idyllischen See? Am Griebnitzsee in Potsdam soll das dauerhaft nicht mehr möglich sein: Villenbesitzer sperrten nach einem für sie erfolgreichen Gerichtsverfahren jetzt den Durchgang am beleibten Uferweg. Bild: AP

"Das brauchen Sie gar nicht erst zu versuchen", sagt der ältere Herr mit dem Dederonbeutel. "Nach 150 Metern ist dicht, kein Durchkommen mehr." Sprachs und stapfte kopfschüttelnd die Treppenstufen zum S-Bahnhof Griebnitzsee hinauf. Geht nicht? Gibts nicht. Seit einer halben Woche ist der Teil des Mauerwegs dicht, der am südlichen Ufer des Griebnitzsees entlangführt - versperrt von wütenden Anwohnern in ihren Prachtvillen. Doch sind die Barrieren unüberwindbar? Ein Selbstversuch.

Hilfloses Potsdam

Der Dauerstreit über den Uferweg am Griebnitzsee hat die Politik erreicht - nicht ohne Grund: Seit Jahren ist es Potsdam nicht gelungen, den Zwist mit acht Grundstückseigentümern zu lösen. Nun kündigte die Stadt an, den betroffenen Grundstückseigentümern womöglich noch in dieser Woche ein Kaufangebot zu unterbreiten. Derzeit werde ein Wertgutachten erstellt, sagte Stadtsprecherin Regina Thielemann am Mittwoch der taz. Der Anwalt der Grundstückseigentümer reagierte verhalten. "Wir werden uns dieses Angebot sicher anschauen und dann beratschlagen", sagte Christoph Partsch.

Der Streit hatte sich am Wochenende zugespitzt, als acht Anwohner an dem Wegstück zwischen dem S-Bahnhof Griebnitzsee und dem Park Babelsberg Bauzäune über den Weg ziehen und Büsche pflanzen ließen. Die Grundstücke waren zu Mauerzeiten enteignet worden und seit 1990 an private Eigentümer zurückgegeben oder verkauft worden. Anfang April entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, die Flächen gehörten nicht zur freien Landschaft, sondern zum privaten Wohnbereich der Eigentümer und könnten gesperrt werden.

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte die Anwohner scharf kritisiert. Sie hätten kein ernsthaftes Interesse an Verhandlungen. Er drohte mit Enteignungen - und erntete umgehend Kritik aus den eigenen Reihen. Die Potsdamer SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein ging auf Distanz. Schon zuvor hatte Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) den Bürgermeister für sein mangelndes Verhandlungsgeschick gerügt. Pikant: Auch Platzeck war einst Potsdamer Oberbürgermeister - in dieser Zeit bewegte sich in dem Streit nahezu nichts.

Sollten neue Verhandlungen scheitern, könnte die Stadt einen Weg im Wasser bauen. Der Vorschlag der Stadt, die Bürger zu befragen, dürfte sich hingegen zur Luftnummer entwickeln: Die Potsdamer sind ohnehin für einen offenen Spazierweg. Bis auf die acht Anrainer. PEZ

Die Villenbesitzer sind wütend, das sieht man an ihren Absperrmethoden, sie wollen den Weg, das Ufer, am liebsten wohl den ganzen See für sich. Die Potsdamer, die am See wohnen, dort aber gern spazieren, sind auch wütend. "Geld regiert die Welt, aber wir sind das Volk!" steht mit Hand auf einen Zettel geschrieben. Er ist, hinter Klarsichtfolie gepackt, an einen Baumstumpf unweit der ersten Absperrung gepinnt. Denn der griesgrämige Mann hat recht: 150 Meter nach dem S-Bahnhof riegelt ein Zaun den Weg ab. Sorgsam und in gleichmäßigem Abstand sind Kugelbüsche in Kübeln hinter dem Bauzaun aufgestellt.

Wäre es nicht eine Barriere, es sähe nahezu adrett aus. Links ein Gartentürchen, abgesperrt. Nicht zu hoch, zum Drüberklettern geeignet - aber dann stünde man direkt zwischen den Terrassenstühlen der ersten zornigen Residenten. Lieber nicht. Rechts reicht der Zaun bis ins Wasser hinein. Aber: Er wird niedriger. Gewagt - und gewonnen. Der Rock verhakt sich im Zaun, aber die erste Hürde ist genommen.

In den Hanggärten der ersten drei abgeriegelten Villen ist nichts los. Die Holzstühle stehen verwaist, und vom Weg sind die Grundstücke ohnehin durch mannshohe Zäune abgetrennt. Die Villen selbst liegen meterweit vom Weg entfernt, neugierige Blicke in luxuriöse Wohnzimmer muss hier keiner fürchten.

Keiner ruft, keiner meckert. Schnell weiter. Der nächste Zaun wartet, und er ist höher. Bleibt nur der Gang ins Wasser. Von der Kaimauer auf die Steine am Rand gehüpft, an Ästen festgehalten. Abgerutscht! Der rechte Fuß ist nass. Nach oben gezogen, durchgekrochen.

An der anderen Seite wartet eine Frau. Sie führt ihren Hund aus. "Mutig", ruft sie. "Das ist ja auch ein Witz: Ich bin hier jeden Tag, und ich habe noch nie jemanden in den Gärten sitzen sehen." Na, wenn es aber nur diese beiden Barrieren waren - dafür die ganze Aufregung? Die Frau lächelt. "Das geht jetzt erst los", sagt sie. Denn: Es stimmt zwar, dass lediglich acht Besitzer am vergangenen Wochenende die Wege dichtgemacht haben, aber eben nicht acht nebeneinander, sondern am ganzen Ufer bis zur Glienicker Brücke hin verstreut. Ein Zaun folgt auf den anderen.

Die nächsten Aufständischen im Kampf für ihr Privatwohl waren gründlich, sie haben eine Friedhofsbuschreihe gepflanzt. Dahinter: Zwei Männer am Terrassentisch. "Entschuldigung, dürfte ich hier schnell durch?" Die Männer zucken mit den Schultern. "Uns dürfen Sie nicht fragen, wir arbeiten nur hier." Bevor eine Diskussion beginnen kann, durch die Büsche geschlüpft, freundlich gelächelt, vorbeigehuscht.

Und der Mann, der hinter der nächsten Buschreihe steht und so komisch schaut? "Der arbeitet auch nur hier, wir können uns die Häuser nicht leisten." Also weiter gelächelt, vorbeigegangen. "He da!", schreit der vermeintliche Bauarbeiter. "Können Sie nicht lesen? Das ist Hausfriedensbruch. Ich kann Sie anzeigen." Der Mann hört nicht auf zu schimpfen. Mehrmals wiederholt er, wie unfassbar das Verhalten der Schilder missachtenden Spaziergängerin sei.

Und dann triumphiert er: Die Wilderin auf fremden Wegen steht vor einer scheinbar unüberwindbaren Grenze. "Da sehen Sie!" Es gilt, Haltung zu bewahren. Ein Sprung auf die Steine am Seerand, unter dem Bauzaun durchgerobbt, auf den Kieseln am Rand weiter. Es stinkt. Ein toter Fisch glotzt.

Einige Mauern später betrachtet ein älterer Herr mit Fahrrad das Gebaren. "Wissen Sie, hier regiert der Kleingeist. Zu einer Günther-Jauch-Villa hat es nicht gereicht, und nun führen sich diese Leute so auf." In der DDR, fügt er hinzu, sei das genauso gewesen - damals hätten die Parteifunktionäre die Filetstücke für sich haben wollen. Er schaut die zerzauste Frau an. "Lassen Sie es gut sein, das geht noch lang so weiter."

Zwei Stunden für einen knappen Kilometer, ein Riss im Rock, nasse Füße. Alles wegen ein paar Mauern. Aufgebaut auf einem Weg, der eine Mahnung sein soll, nie wieder Grenzen im eigenen Land zu errichten.

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11 Kommentare

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  • P
    Petra

    Sollen die Reichen Saftsäcke doch an ihrem See verfaulen.

    Touristen die davon nichts wissen dürfen wie die Idioten zurückfahren....,Kinder dürfen durch die gefährliche Stadt (anstelle des sicheren Uferwegs),

    hauptsache die Reichen haben ein paar quadratmeter mehr.

    Warum gibt es bei uns kein Gesetz wie in England?

    Dort gibt es keine Privatinteressen, wenn so ein Grundstück von einem öffentlichen Weg gekreuzt wird.

    Dort gehen die öffentlichen Interessen vor.

    Und da wundern sich die Reichen noch das man sie nicht abkann. Aber dann kommt ja immer: Das ist der Neid.....

    Ihr armen Reichen.......

  • IS
    Initiative "Bildung sta(d)t Schloss"

    Hier in Potsdam wundert mich gar nichts mehr. Wir haben ja mit Arcadia auch die erste "Gated Community" Deutschlands. Wer weiß was als nächstes kommt. Das Herr Jakobs als Bürgermeister wiedereinmal blamiert hat kommt noch hinzu. Erst den Aufkauf des Weges verpennen und dann Enteignung fordern kann ja icht ernst gemeint sein. Man muß den Leuten jetzt das Gebiet abkaufen - im Zweifel halt enteignen. Forderungen der Poltik, insbesondere von Herrn Jakobs sind trotzdem nur als Populismus wahrzunehmen.

     

    Auc die Villenbesitzer müssen an das soziale Klima denken. Dies tun sie nicht. Das wird ihnen auch auf die Füße fallen!

     

    www.bildungstadtschloss.wordpress.com

  • U
    urmel

    ich hab da auch noch nie leute in den gärten sitzen sehn, das erinnert mich an ein kindergedicht über den raben, der unnütze sachen klaut. auf die frage, warum er das tut, heisst es: "ich weiss es nicht", sprach da der rabe, "ich hab es nur, damit ich's habe".

     

    wenn jemand das gedicht kennt, dann teilt es mir doch bitte mit.

  • R
    Robert

    @Bathke

    "...jetzt leben wir in blühenden Landschaften."

     

    Also, in welchem Land leben Sie denn? "Blühende Landschaft..." war doch wohl seinerzeit so ein Demagogenspruch von Helmut Kohl. Oder irre ich mich da? Ich empfehle mal einen Blick in die Wirtschaftsseiten der Zeitungen, in die Arbeitslosenstatistik, in den letzten Armutsbericht der Bundesregierung,...

     

     

    Vielleicht recherchiert die Autorin ja mal - und diesmal seriös journalistisch - die Eigentums- und Rückübertragungssituation der Berliner Mauergrundstücke. Ich garantiere erstaunliche Ergebnisse.

     

    Kennt übrigens jemand einen Grundstücksbesitzer der mit seinem Besitz gegen ein z.B. Autobahnprojekt angekommen wäre?

    Immer auch mal wieder GG Artikel 14 und 15 lesen.

  • M
    mosh

    Das könnte man ja fortsetzen, inwiefern Geld dazu verhilft, private gegenüber öffentlichem Interesse zu favorisieren. In Potsdam hat man schon etwas Erfahrung darin, aber auch am Bodensee und in vielen Gemeinden und Städten ist das so.

    Schön aber das die TAZ sich robbend zum Griebnitzsee aufmacht, um einen Sachverhalt zu klären, den mittlerweile der dümmste Bauer aufsagen kann.

  • M
    mir

    an: Ilse Meyer

     

    Kann man vergleichen. Beides hindert Mensch (und Tier) an der freien Bewegung auf Mutter Erde. In einem Falle wird geschossen, im anderen geklagt. Sicher, zwei grundverschiedene Dinge. In beiden Fällen besteht die Möglichkeit, im Gefängnis zu enden. Ich will nichts relativieren, aber Parallelen gibt es genug.

     

    Eigentum ist Diebstahl!

    Besitz ist etwas anderes.

  • B
    Bathke

    das ist nun mal so im Turbokapitalismus,Neid Gier,und Hass,sind die Grundübel der Menschheit,seit ewigen Zeiten !Ich höre die Menschen im jetzigen Anschlussgebiet noch wie heute schreien, wenn die D-Mark nicht kommt kommen wir ,dass hat viele in den alten Bundesländer damals in Angst versetzt,also hört auf zu jammern,jetzt leben wir in blühenden Landschaften.

  • IM
    Ilse Meyer

    Ich finde Ihren letzten Satz ehrlich gesagt perfide. Wie kann man ernsthaft Gartenzäune mit der Mauer vergleichen? Wo sind da auch nur entfernte Parallelen?

     

    Schöner und treffender wäre gewesen:

     

    Alles wegen einer Stadt, die noch immer keinen Respekt vor Eigentum hat. Und dies an einem Ort, der eine Mahnung sein soll, dass zwei Enteignungswellen (1933 - 36, 1961 - 62) genug Unrecht waren.

  • TS
    Toni S

    Diesen grotesken Streit könnte es in dieser Form in Bayern nicht geben, dort steht das vielbelächelte "Schwammerlgrundrecht" in der Verfassung.

     

    Art. 141 Abs. 3

    "Der Genuß der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere das Betreten von Wald und Bergweide, das Befahren der Gewässer und die Aneignung wildwachsender Waldfrüchte in ortsüblichem Umfang ist jedermann gestattet. Dabei ist jedermann verpflichtet, mit Natur und Landschaft pfleglich umzugehen. Staat und Gemeinde sind berechtigt und verpflichtet, der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen, Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten und allenfalls durch Einschränkungen des Eigentumsrechtes freizumachen sowie Wanderwege und Erholungsparks anzulegen."

     

    Da der Zugang zu allen Gewässern den Rang eines Grundrechts hat, einmalig in der Welt, kann und muss der Staat die Eigentumsrechte dahingehend einschränken und den Zugang öffnen. Das hindert zwar einzelne Villenbesitzer am Starnberger See nicht, ihre Zäune bis zum Ufer zu ziehen, eine großflächige Absperrung der Wege ist aber nicht möglich.

  • KB
    Karl Bold

    Tulpen für Kristina Pezzei (weil Rosen zwicken könnten).

     

    Die Villenbesitzer sind noch früh genug unter der Erde. Brauchen sie die Ruhe jetzt schon?

  • P
    Philipp

    Entschuldigung, aber das ist kein Artikel, das ist Quatsch! Den Bericht über einen Selbstversuch als Teil eines umfassenden Artikels über die Hintergründe der Geschichte: in Ordnung. Aber die Nummer allein, nur der Selbstversuch? Was soll das sein? Journalismus?