PAKETE BEI DEN NACHBARN : Postbote werden
Der Postbote klingelt. Früher habe ich ihm nie aufgemacht. Er war nicht glücklich, bis zu mir in den Vierten zu müssen, und ich war nicht froh, im Flur über stapelweise Pakete für Nachbarn zu stolpern. Also hab ich nicht aufgemacht, und ich glaube, das war das Beste so, für uns beide. Mit dem neuen Postboten ist alles anders. Dem mache ich auf.
„Heute sind es zwei“, sagt er und schnauft. Zweiundachtzig Stufen sind nicht zu verachten. „Für mich?“, frage ich, aber das muss ich eigentlich nicht. Pakete für mich gibt er nie bei mir ab. Pakete für mich gibt er an ganz komischen Orten ab: letzten Winter im Spätkauf an der übernächsten Straßenbahnhaltestelle, letzte Woche bei einem Nachbarn, den es nicht gibt. „Heute leider nicht für Sie“, sagt der Postbote. Er schaut auf das obere Päckchen. „Für Klein.“ Klein wohnt über mir, da geh ich nachher mal hoch und klingele. Das muss man nämlich bei diesem Postboten, er kriegt das mit den Namen nicht hin.
Und richtig: als ich später rausgehe, hängt eine Karte an der Tür: „Zwei Sendungen für Klein, abgegeben bei Johla“. So heiß ich nicht, und deswegen würde Klein machen müssen, was ich letzte Woche gemacht habe: durchs ganze Haus laufen und überall fragen: „Haben Sie mein Paket?“ Ich habe so alle Nachbarn kennengelernt, das war schon toll.
Später klingelt Klein bei mir, ganz von allein. Er kennt das schon. „Johla, das bist bestimmt du“, sagt er und lacht.
Drei Minuten später klingelt er wieder. „Das Zweite ist nicht für mich“, sagt er und hält es mir hin. „Sranev“ steht da oder „Branev“, vielleicht auch „Brauer“, die Adresse ist handgeschrieben, unleserlich. „Sauklaue“, sagt Klein und schaut mich an. Ab und zu will ich ja immer noch Briefträger werden, zwar auf dem Land, aber irgendwo muss man doch anfangen. „Gib ruhig her“, sage ich also. „Ich finde den schon.“ JOEY JUSCHKA