Post aus Buenos Aires : „Euer Kampf muss Hand und Fuß haben“
Sehr geehrter Regierender Bürgermeister, lieber Klaus,
mit Bestürzung und Wut habe ich erfahren, was dir vor dem deutschen Verfassungsgericht widerfahren ist. Bund und Länder haben die Solidarität mit deiner Stadt aufgekündigt, und die Justiz hat einmal mehr gezeigt, wes Brot sie isst. So ist das. Je größer die Krise, desto erbarmungsloser der capitalismo. Wir können ein Lied davon singen.
Als ehemaliger Regierungschef von Buenos Aires weiß ich, wie sich das anfühlt – in der Krise zu stecken, ohne Hoffnung auf Hilfe. So war das auch bei uns vor fünf Jahren, als Argentinien und seine Hauptstadt geplündert wurden. Als sich die Reichen mit den Dollars davonmachten und entwertete Pesos zurückließen. Die einzige Chance, die uns blieb: revolución. Seitdem ist in unserer Stadt nichts mehr, wie es war.
Aber das weißt du ja selbst. Berlin und Buenos Aires sind ja Partnerstädte, und du hast uns vor zwei Jahren besucht. Deine Worte sind uns in guter Erinnerung. Du hast den Kulturaustausch gelobt und dich gefreut, dass Buenos Aires etwas von Berlin übernommen hat: la noche de los museos, die Museumsnacht.
Und du sagtest, dass auch Berlin etwas von uns lernen kann: „Von der Lebensfreude der Bürger hier können sich die Berliner etwas abschauen. Die klagen immer, wie schlecht es ihnen geht. Hier wird in die Hände gespuckt und angepackt.“ Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut uns das getan hat, so viel solidaridad.
Vielleicht können wir uns nun revanchieren. Mit Freude haben wir vernommen, dass du nach dem Urteil des Verfassungsgerichts und dem Jubelgeheul der reichen Länder beschlossen hast, den Kampf aufzunehmen. Gut so! La lucha continúa.
Nur muss dieser Kampf Hand und Fuß haben. Die Hand der Argentinier war 2001 zur Faust geballt, und unser Fuß trat jene in den Staub, die sich weiter an uns bereichern wollten. Du weißt, dass wir die Kredite des IWF nicht mehr bedient haben. Warum machst du es nicht genauso? Warum lässt du und dein senado die 60 Milliarden Schulden nicht da, wo sie hingehören – beim unsolidarischen Bundesstaat und seinen Handlangern, den Banken!
Natürlich ist die Revolution ein steiniger Weg. Die Hälfte der Bewohner unserer geliebten capital federal lebt seitdem in Armut. Jeden Abend kommen die cartoneros, um den Verpackungsmüll der Reichen zu sammeln. Aber auch hier gilt: Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten. Haben nicht die asambleas, die Stadtteilversammlungen, die zurückeroberten Fabriken und die piqueteros, die militanten Arbeitslosen gezeigt, dass das Volk weiß, was zu tun ist? Schick doch am 1. Mai die Polizei einmal nicht nach Kreuzberg, sondern die Kreuzberger ins Regierungsviertel.
Zum Schluss noch ein kameradschaftlicher Rat. Schon bei deiner Stippvisite in Buenos Aires habe ich dir, lieber Klaus, gesagt: Wenn alle dich im Stich lassen, dann setz dich einfach an die Spitze. Auch da haben wir Argentinier gezeigt, wie das geht: Mit Néstor Kirchner kam ein unbedeutender Provinzfürst an die Macht. Mittlerweile wurde er als Staatspräsident wiedergewählt. Folge unserem Beispiel, compañero, setz dich an die Spitze des Staates und zeige allen, was dir der Föderalismus wert ist!
Mis saludos solidarios para ti y tus Berlineses
Aníbal Ibarra
Aus der Rathauspost gefischt von UWE RADA