Portrait: Zahlenakrobat auf Schienen
Diese Partie hat Richard Lutz für sich entschieden. Nachdem Rüdiger Grube im Januar als Chef der Deutschen Bahn AG sehr plötzlich zurückgetreten war und sich der Bund als Eigentümer für eine interne Nachfolgeregelung entschieden hatte, blieben nur noch zwei – natürlich Männer – im Rennen: Finanzvorstand Richard Lutz und Regulierungsvorstand Ronald Pofalla. Die Wahl fiel auf Lutz, der am Mittwoch vom Aufsichtsrat der Bahn gewählt werden soll.
Bei der Entscheidung dürften zwei Dinge eine Rolle gespielt haben: Lutz ist schon weit länger als Pofalla im Unternehmen tätig, und eine Ernennung des ehemaligen CDU-Kanzleramtsministers Pofalla wollten SPD und Arbeitnehmervertreter verhindern. Zudem gibt es an der fachlichen Eignung Lutz’keinen Zweifel. Der 52-jährige Betriebswirt kennt den Konzern buchstäblich in- und auswendig: Bei jeder Präsentation antwortet der Zahlenakrobat selbst auf die Frage nach kleinsten Details einer DB-Tochterfirma präzise, ohne in Unterlagen schauen zu müssen.
Dass ihm das mathematisch-strategische Denken liegt, zeigte Lutz schon in seiner Jugend. Damals war er einer der besten Schachspieler Deutschlands, und noch heute hat er ein im Amateurbereich herausragendes Spielniveau. Mit taktischen Tricks und durchsichtigen Strategien seiner Widersacher kennt sich der als ruhig und besonnen geltende Lutz also bestens aus.
Lutz, der aus einer Eisenbahnerfamilie stammt, galt als die rechte Hand Rüdiger Grubes. Der hatte als Nachfolger von Hartmut Mehdorn das „Brot-und-Butter-Geschäft“ in Deutschland in den Blick gerückt, ohne das internationale Engagement aufzugeben. Diesen Kurs dürfte Lutz nun fortsetzen. Dass die Bahn dafür ihre alten Tugenden – Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit – stärken muss, weiß er selbst am besten. Nur zufriedene Kunden bringen dauerhaft Umsatz und Gewinn. Das gilt nicht nur im Nah- und Fernverkehr, sondern auch im Güterverkehr, wo die Bahn zuletzt Einbußen hinnehmen musste. Hier ist die Bahn schon ein bisschen in Zugzwang geraten, nicht weiter an die Konkurrenz zu verlieren. Mal sehen, welche Lösung Lutz dafür findet.
Richard Rother
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