Portrait: Der Neue auf der Brücke
Warum es ausgerechnet Kapitäne sein müssen, die einem in Blogs die Welt erklären, leuchtet nicht jedem sofort ein. Man könnte stattdessen auch FinanzbeamtInnen oder FörsterInnen erzählen lassen, was sie über die AfD oder die Flüchtlingskrise so denken. Allerdings: Ein Kapitän ist schon von Berufs wegen Kosmopolit. Er hat Stürme abgewettert und schon deshalb den Überblick, weil er meistens oben auf der Brücke steht. So sieht es Kapitän Stefan Schmidt.
Nachdem sein Vorgänger, Mopo-Liebling und Facebook-Held Kapitän Jürgen Schwandt, im vergangenen Herbst Kolumne und Blog wegen Krankheit aufgeben musste, gibt es nun – zumindest für den Blog – wieder einen Käptn, der die Welt erklärt.
Der kleine Ankerherz-Verlag aus Hollenstedt, der vor allem für seine schön gestalteten Seemannsgarn- und Harte-Kerle-Bücher bekannt ist, hatte Schwandts Facebook-Seite noch bis vor Kurzem betreut und verlegt auch seine Bücher.
Nun hat der Verlag die Fans aufgefordert, „für politische Diskussionen“ auf die Seite von Kapitän Schmidt „umzuziehen“, auf der er seit November bloggt. „Ich habe ihn jetzt auf der Brücke abgelöst“, sagt Schmidt. Auch er äußert sich zur Tagespolitik und vor allem zur Flüchtlingsfrage. Er tut das weniger markig als Schwandt, der Ton ist pastoraler und passt zu dem Amt, das er seit 2011 bekleidet: Er ist Flüchtlingsbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein.
Qualifiziert dafür hatte sich der 1941 im damals noch deutschen Stettin geborene Kapitän, der immer noch seinen eigenen Flüchtlingsausweis im Portemonnaie trägt und heute in Lübeck lebt, vor allem durch sein Engagement, das ihn beinahe ins Gefängnis gebracht hat: Er war im Jahr 2004 der Kapitän des legendären Rettungsschiffes „Cap Anamur“, das 37 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet und in Sizilien an Land gebracht hatte.
Daraufhin wurde er wegen „Beihilfe zur illegalen Einreise“ in Italien vor Gericht gestellt und erst 2009 freigesprochen. Er gründete den Verein „Borderline Europe“, hält die Parole „Flüchtlinge raus!“ für „blödes Gesabbel“ und fordert Integration von allen – Deutschen und Zuwanderern. Lesen könnte sich also lohnen. KMS
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