piwik no script img

PortraitDer Zurückgetretene

Kann nicht länger bei EWE abhören: Vorstand Behr Foto: EWE

Irgendwie muss Nikolaus Behr etwas missverstanden haben, als er vor vier Jahren Vorstand für Personal und IT (Informationstechnik) des Oldenburger Energieversorgers und Netzbetreibers EWE wurde. Das war aber keine Aufforderung, Mitarbeiter zu bespitzeln, was Behr nach Recherchen der EWE veranlasst haben soll.

Der Manager war schon am 9. September wegen der Vorwürfe beurlaubt worden und hatte daraufhin dem Aufsichtsrat seinen Rücktritt angeboten, den dieser am Montag annahm. „Die Überwachung von Mitarbeitern oder anderen Personen verstößt auf elementare Weise gegen die von EWE vertretenen Werte“, stellte der Vorstandsvorsitzende Matthias Brückmann klar. Der Vorstand begrüße die Entscheidung des Aufsichtsrates –und dass Behr die Verantwortung übernommen habe.

Nach eigenen Angaben war die EWE Ende August von den Anwälten des überwachten ehemaligen Angestellten über die Vorwürfe informiert worden und darüber, dass die Staatsanwaltschaft Lübeck in der Sache ermittle. Vorstandschef Brückmann habe sofort gehandelt und anwaltliche Beratung eingeholt.

Bei dem angeblich bespitzelten Mitarbeiter habe es sich um eine ehemalige Führungskraft des Bereichs Netzausbau gehandelt – dem Bereich, den Behr bis 2012 leitete. Der Mitarbeiter hatte sich erfolgreich gegen eine Kündigung gewehrt. Es folgten mehrere Prozesse vor dem Arbeitsgericht.

Was Behr dazu getrieben haben könnte, seinem Prozesskontrahenten nachstellen zu lassen, ist der EWE-Führung schleierhaft. „Uns hat sich die Motivlage nicht ergründet“, sagt Pressesprecher Christian Blömer. Aufsichtsratschef Stephan-Andreas Kaulvers deutete bei einem Pressegespräch an, dass es eher private Aspekte gebe, aber auch berufliche. Behr fungierte auch als Arbeitsdirektor des Unternehmens.

Nach Erkenntnissen der Innenrevision der EWE soll Behr für die Überwachung eine Anwaltskanzlei eingeschaltet haben, die wiederum eine Detektei beauftragte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Detektei. „Es gibt keine Anzeichen, dass weitere Personen im Unternehmen involviert sind“, versichert EWE-Sprecher Blömer.

Behr, geboren 1961 in Freiberg/Sachsen, hat nach einer Feinmechanikerlehre in Göttingen Betriebswirtschaftslehre studiert. Nach Stationen in Kassel und Dresden arbeitet er seit dem Jahr 2000 bei der EWE. Er begann im Controlling und wurde dann kaufmännischer Leiter des Bereichs Netze, der Strom- und Gasnetze betreibt.

Die Besetzung des Postens des IT-Vorstands mit Nikolaus Behr war Teil einer Neuorganisation, mit der sich die EWE auf künftige Entwicklungen im Energiemarkt vorbereiten wollte, wo Informationstechnologie im Zusammenhang mit der Energiewende eine immer größere Rolle spielt. Dem Informationsdienst CIO sagte er, er sehe es als seine Aufgabe, eine „hoch effiziente IT-Landschaft zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten und die Informationstechnik des Konzerns stärker auf die Energiewende auszurichten. Gernot Knödler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen