Portrait: Die Beltretterin
Sie ist vom eigenen Erfolg überrascht. Malin Binding, die Schülerin von der Ostseeinsel Fehmarn, die gegen den Fehmarnbelt-Tunnel kämpft, hat es in den sozialen Medien zum Kultstatus gebracht. Mehrere Hunderttausend Mal ist ihr Video angeklickt worden, rund 85.000 Menschen haben ihre Online-Petition gegen „die größte Bau- und Umweltsünde Europas“ unterzeichnet. „Ich bin vollkommen überrascht“, sagt die 18-Jährige, „mit so vielen Leuten habe ich nicht gerechnet.“
Eigentlich habe sie nur „was tun wollen gegen die Zerstörung“, sagt die Schülerin aus Marienleuchte nahe dem Fährhafen Puttgarden. Bei den Beltrettern ist sie aktiv, jenem Zusammenschluss von Initiativen, Vereinen, Umweltverbänden und auch Orten entlang der geplanten Trasse durch Ostholstein zwischen Fehmarn und Lübeck. Die Fischergenossenschaft der Insel ist ebenso dabei wie der Betriebsrat der Fährreederei Scandlines und die Kinderfachklinik Fehmarn, die Gemeinden Sierksdorf, Scharbeutz und Ratekau ebenfalls – und Malin Binding ist das Gesicht dieser Bewegung, die mit Zehntausenden von blauen Kreuzen, ähnlich den gelben aus dem Atomwiderstand im Wendland, in der gesamten Region Zeichen setzt.
Bis zum heutigen Freitag können Betroffene in Ostholstein ihre Einwendungen gegen die Baupläne beim Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr in Kiel einreichen. Mehr als 4.300 formelle Einwendungen sind bereits erhoben worden, allein am Dienstag fuhr Karin Neumann, Sprecherin der Beltretter, 1.536 Widersprüche im Kofferraum ihres Golfs in die Landeshauptstadt. Diese müssen in den Planfeststellungsverfahren geprüft und eingearbeitet werden, die Online-Petitionen hingegen haben eher den Charakter von Protestnoten.
Doch auch das sei wichtig, sagt Malin Binding. Dauercamper aus Nordrhein-Westfalen hätten genauso ein Interesse an ungestörtem Urlaub wie einheimische Strandkorbvermieter. Und diese Erholung sei gefährdet, wenn nach Fertigstellung von Tunnel und Straßen- und Schienenanbindung alle 20 Minuten 800 Meter lange Güterzüge durch die Urlauberorte donnern, zum Teil nur 500 Meter vom Strand entfernt. Eine ganze Tourismusregion, die Existenzen Zigtausender Anwohner, deren wirtschaftliche Grundlagen und die Umwelt gleichermaßen würden durch die Fehmarnbelt-Querung „schweren Schaden nehmen“.
Dabei ergebe das Milliardenprojekt weder wirtschaftlich noch verkehrstechnisch Sinn, das hätten Gutachten belegt. „Für nichts“, sagt die junge Frau mit den rotblonden Locken, die Klavier spielt, Yoga macht und gerne mal auf der Ostsee kitet, „für gar nichts.“ Und gegen diesen Irrsinn „müssen wir aufstehen“, sagt Malin Binding, die nächstes Jahr Abitur machen und nach ein bisschen anschließender Weltenbummelei „was Kreatives“ studieren will. Und die gerne Fehmarn und Ostholstein als „lebenswerte Orte“ erhalten will, die nicht den Wirtschaftsinteressen dänischer Baukonzerne geopfert werden dürften. „Wir müssen die Ostsee retten“, sagt Malin Binding, „so einfach ist das.“
Sven-Michael Veit
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