■ Portrait: Menita aus Sambia
Menita Hanga'ndu schaut auf den Boden. Zögernd malt sie Linien in den Sand, während ihr Kopf auf ihren harten knöchernen Knien ruht. Ein unsicheres Lächeln geht über ihr schmales Gesicht. Sie ist 25 Jahre alt, und noch bevor dieses Lebensjahr zu Ende geht, wird sie an Aids sterben. Im Moment wiegt sie 35 Kilo und hat kaum noch die Kraft, sich zu bewegen. Ihr Gewicht wird bis auf 20 Kilo abnehmen, wenn sie dem Tod ganz nah sein wird. Ja, sie weiß, woran sie leidet. Nein, sie möchte nicht darüber sprechen.
Aus dem Schatten eines Strohdaches schauen ihre Mutter und ihr Onkel mit ruhigen mitfühlenden Augen auf sie. Orangefarben spielen die weichen Sonnenstrahlen auf den braunen Lehmhütten, dem staubigen Hof und den knochentrockenen Gemüsebeeten. Menita Hanga'ndu ist eines der Opfer der Krankheit, die Afrika lautlos in die Knie zwingt.
Die Hauptursache des afrikanischen Aidstodes ist die Diarrhöe. „Sie läßt mich nachts nicht schlafen“, sagt Menita Hanga'ndu mit niedergeschlagenen Augen, für einen Moment erleichtert, daß sie ihre Sorgen mit jemand teilen kann, zugleich aber auch erfüllt von der Angst, zuviel zu sagen. Sie legt eine Pause ein, bevor sie über die Blasen in ihrem Mund zu sprechen beginnt, einem bei afrikanischen Aids-PatientInnen verbreiteten Symptom: große, weißbelegte Wundflächen und Blasen, die zuerst in der Mundhöhle entstehen und sich dann weiter ausbreiten – den Hals und die Speiseröhre hinunter bis in den Magen und in den Verdauungstrakt hinein, wo sie eine verringerte Nahrungsaufnahme und Verdauungstätigkeit verursachen. Was in europäischen Kliniken relativ gut zu behandeln ist, sind in Afrika die Vorboten des Todes.
Als vor zwei Jahren bekannt wurde, daß Menita HIV-positiv ist, nahm sich ihr Ehemann eine neue Frau. Gelegentlich besucht er sie, sie und ihre beiden Kinder, die heute fünf und sieben Jahre alt sind.
Menita hat die Stationen durchlaufen, die auf dem Weg eines afrikanischen Aids-Patienten liegen: Zunächst waren da die „anderen Doktoren“, die ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von obskuren Mittelchen an tödlich Erkrankte bestreiten. Menitas nächste Stationen waren Medizinmänner und animistische Geisterbeschwörer. Und dann, als es nichts mehr zu versuchen gab, führte sie der Weg zurück in ihr Dorf, wo sie jetzt auf den Tod wartet. Dort schafft sie es irgendwie, die Tage herumzubringen. Wasser oder Feuerholz zu holen, dazu ist sie schon zu schwach, aber sie kann leichte Hausarbeiten erledigen, wenn sie zwischendurch häufig eine Pause einlegt.
Wenn Menita Hanga'ndu stirbt, werden ihre Kleider und ihre Habe an die nächsten Verwandten verteilt. Einer ihrer Schwestern wird dann die Aufgabe zufallen, Menitas Ehemann „sexuell zu reinigen“, um Menitas Geist davon abzuhalten, ihn zu verfolgen. Dieses Reinigungsritual ist ein wichtiger Schlüssel zur afrikanischen Aids-Tragödie, weil es auf eine Gesellschaft verweist, in der Sexualität eine magische Rolle spielt.
Menita Hanga'ndu ist eine von zwei Millionen HIV-Infizierten und Aidskranken in Sambia. Etwa jeder fünfte Einwohner des Landes hat sich inzwischen mit dem Virus angesteckt. Nach Schätzungen von Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, wird die Zahl von gegenwärtig 100.000 Aidswaisen, die ihre Eltern an die Krankheit verloren haben, bis zum Jahr 2000 auf etwa 600.000 ansteigen. Gunnar Kopperud
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