Portrait eines besonderen Ökobauern: Buntes Feld gegen böse Pilze
Uwe Wüst ist Ökobauer im Süden Deutschlands, und nimmt seinen Beruf sehr ernst. Er bestellt das Feld mit einem bodenschonenden Pflug und lässt die Kühe alleine kalben.
KÖNIGHEIM-BREHMEN taz | Der heiße Atem der Rinder dampft in der kalten Morgenluft. Das Gras ist noch feucht von der Nacht, Eisblumen bedecken den Boden. Aus Blinki, einem braun-weißen Rind mit lang geschwungenen Hörnern, flutscht ein gelbliches Gewebeknäuel, dann Flüssigkeit. "Das war die Fruchtblase", sagt Uwe Wüst, der Wert darauf legt, nur mit dem Vornamen angesprochen zu werden. Andere Bauern würden jetzt schnell Stricke suchen, um das Kalb wenn nötig aus Blinki herauszuziehen. Uwe dagegen bleibt ruhig, greift nur nach seinem Tabak und dreht sich eine Zigarette.
Auch sonst unterscheidet sich der 47-Jährige von anderen Bauern. Natürlich verzichtet er wie alle Ökolandwirte auf umweltschädliche Mineraldünger und Pestizide. Zusätzlich setzt er aber auf seltene, teils vom Aussterben bedrohte Rinderrassen. Die Tiere bekommen nur Futter, das von seinem Hof im Nordosten Baden-Württembergs stammt. Die Äcker sind von Blühstreifen gesäumt, auf denen Kornblumen, Klee und Johanniskraut wachsen. All das macht Uwes Betrieb in dem Dorf Königheim-Brehmen zu einem Gegenmodell zur Agrarindustrie, die zunehmend auch die Biobranche erfasst.
Uwe arbeitet nur mit einem Häufelpflug, wie der Landwirt am Rand eines Weizenfelds erzählt. Die Scharen des Geräts graben den Acker nicht auf voller Breite um, sondern häufeln nur alle 60 Zentimeter die Erde zu Dämmen auf. "Die Verrottungsprozesse werden nicht so stark gestört und die Bodenfruchtbarkeit steigt", erläutert Uwe. Außerdem können Wasser und Wind nicht so viel wertvolle Erde davontragen, weil der Häufelpflug den Zusammenhalt des Bodens weniger schädigt.
Uwe erntet etwa genauso viel wie normale Biobauern auf den wenig ertragstarken Böden der Region: Zwei bis zweieinhalb Tonnen seien es bei der vergangenen Ernte gewesen, berichtet er. Mit Pestiziden und Mineraldünger ließe sich zwar mehr aus der Erde holen, aber für Uwe kommt das nicht in Frage. "Die intensive Landwirtschaft hinterlässt eine Agrarsteppe." Die Chemikalien töteten viele Arten auf den Feldern.
Doch wie kann er es verantworten, kleinere Ernten einzufahren, als technisch möglich wäre? Schließlich hungern fast eine Milliarde Menschen. "Das Welternährungsproblem hat nichts mit der Landwirtschaft zu tun", antwortet Uwe. Die Bauern würden genug Nahrung für alle produzieren, aber sie werde schlecht verteilt. Tatsächlich schätzen Experten, dass 10 bis 40 Prozent der weltweit produzierten Lebensmittel nicht gegessen, sondern weggeworfen werden.
Uwe steht jetzt an einem außergewöhnlich bunten Dinkel-Feld. Neben Dinkel sät Uwe Leindotter, aus dem sich Öl pressen lässt. "Das ist besser für die Vielfalt. Die Pflanzen unterstützen sich gegenseitig und wehren so Pilzkrankheiten ab." Während sich immer mehr Bauern auf wenige Arten spezialisieren, hat er in diesem Jahr auf seinen 130 Hektar großen Äckern mehr als 30 verschiedene Getreidearten geerntet.
Da jeder Pflanzentyp die Tiere und Pflanzen in seiner Umgebung unterschiedlich beeinflusst, entstehen so Lebensräume für mehr Arten als auf normalen Feldern. Jetzt machen wieder Störche auf seinem Land Rast, Greifvögel wie die Wiesenweihe sind zurückgekehrt und auch Rebhühner.
Die Vielfalt seines Betriebs zahlt sich auch ökonomisch aus. "Meine Ertragssicherheit ist viel höher", sagt Uwe. Weil er so wenig spezialisiert ist, hat er immer genug Produkte zu verkaufen, auch wenn das Wetter die Weizenernte dezimiert oder der Absatz für Fleisch einbricht.
Dennoch räumt Uwe ein: "Der Hof wirft nicht genug ab, als dass man etwas sparen könnte." Aber der Bauer, seine Frau, drei Kinder und zwei Mitarbeiter leben schon seit Jahren von dem Betrieb. "Und ich bin der einzige Vollerwerbslandwirt im Dorf." Alle anderen mussten sich neben dem Hof noch einen Job zum Beispiel als Handwerker suchen.
Es wird schon bald dunkel, und Uwe fährt zu seinen Rindern, um zu sehen, ob Kuh Blinki ihr Kalb zur Welt gebracht hat. Ein Teil der Nabelschnur hängt noch vom Bauch herab. "Es ist ein Mädchen", freut sich Uwe. Und jetzt greift er doch ein. Er springt über den Elektrozaun, bindet die Beine des "Babys" mit einem Seil zusammen und sticht einen Nummernclip in ein Ohrläppchen des Kalbs.
Er versuche, das so früh wie möglich zu erledigen, erzählt Uwe. "Je jünger die Tiere sind, desto weniger Stress ist es für sie." Auch dieses Kalb wird irgendwann beim Schlachter landen. Aber bis dahin lebt es gut - auf den großen Weiden von Uwe Wüst statt im engen Stall einer Massentierhaltungsanlage.
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