Portrait Sergei Sobjanin: Der neue Mann für Moskau
Sergei Sobjanin ist der neue Bürgermeister von Moskau. Er hat seine Politkarriere nur Putin zu verdanken, der Wert auf Loyalität legt.
Nach der unappetitlichen Affäre, die die Entmachtung des Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow im Frühherbst begleitete, hat die russische Hauptstadt wieder einen neuen "Mer". Das Führungstandem aus Präsident Dmitri Medwedjew und Premier Wladimir Putin entschied sich für den 52-jährigen Vizepremier Sergei Sobjanin.
Dem sibirischen Kosakensohn, gelernten Schlosser und promovierten Juristen eilt der Ruf voraus, ein äußerst loyaler Diener beider Herren zu sein. Dennoch gilt er als ein Mann Putins, der den Gouverneur der westsibirischen Ölprovinz Tjumen 2005 nach Moskau holte. Sobjanin übernahm damals von Dmitri Medwedjew die Leitung der Präsidialadministration.
2001 war der Vater von zwei Töchtern in damals noch freien Wahlen zum Gouverneur der wohlhabenden Region gewählt worden. Dort fiel er durch Verwaltungsgeschick und einen zurückhaltenden Lebensstil auf. Vor allem schätzte der Kreml das behutsame Vorgehen des Gebietschefs, dem es gelang, widerstreitende Interessen der Öl- und Gaskonzerne in der Region ohne größere Tumulte zu regulieren.
Auf dem einflussreichen Posten des Leiters der Kreml-Administration drängte sich der geborene Apparatschik auch nicht in den Vordergrund. Er meldete keine politischen Ambitionen an und verhielt sich unauffällig.
Sobjanin hat seine Politkarriere nur Putin zu verdanken, der Wert auf Loyalität legt. Sobjanin ließ es an Ergebenheitsadressen nicht fehlen. Nach seinem Wahlsieg in Tjumen plädierte er für die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten auf sieben Jahre. Er war auch einer der Ersten, der die Abschaffung der Gouverneurswahlen 2004 begrüßte und sich vom damaligen Kremlchef im Amt bestätigen ließ.
Sobjanin ist weder Petersburger, noch stammt er aus dem Geheimdienstmilieu. Dass er dennoch zum engsten Führungszirkel gehört, unterstreicht das Vertrauen, das er genießt. Nicht zuletzt ist er einer der Konstrukteure des Tandems, 2008 leitete der Sibirier den Wahlkampf Dmitri Medwedjews, mit dem Putin seine sichere Nachfolge einfädelte. Als Bürgermeister wolle er sich dem Verkehrschaos, der Sozialpolitik und dem Filz der Megapolis widmen, kündigte er an. Da er ein vorsichtiger Apparatschik ist, wird er beim Kampf gegen die Korruption kaum für Schlagzeilen sorgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül