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Portrait Michael KalaschnikowTödliches Lebenswerk

Keine Waffe hat in den letzten 60 Jahren mehr Menschen getötet als die von Michael Kalaschnikow erdachte. Der sagt: "Schuld sind die Politiker, die sich nicht einigen können".

Michael Kalaschnikow am 60. "Geburtstag" der Waffe im Jahr 2007. Am 10.11. wird er selbst 90. Bild: dpa

Wenn Michail Kalaschnikow seine Waffe in den Händen hält, stehen meistens Fotografen um ihn herum. Er tritt oft so auf, sein Land ist stolz auf ihn. Zu Jahrestagen seiner großen Erfindung heftet er einen der drei Leninorden, die er bekommen hat, an sein Revers. Dass es merkwürdig aussieht, wenn er in solchen Momenten lächelt, sagt viel aus über sein Lebenswerk.

Am 10.11. wird der Russe Kalaschnikow 90. Er hat den "Awtomat Kalaschnikow 47" erfunden. Nicht nur die RAF trug ihn im Wappen, auch Simbabwe, Mosambik und die Hisbollah. Jassir Arafat nannte die Kalaschnikow den "Stolz unserer Kämpfer überall auf der Welt". Keine Waffe hat in den letzten 60 Jahren mehr Menschen getötet als die AK-47. Schätzungen gehen davon aus, dass 100 Millionen Exemplare weltweit im Umlauf sind.

Die Unicef hat vorgerechnet, dass man in Norduganda eine Kalaschnikow für den Gegenwert eines Huhns kaufen kann.

Der Blick zurück aufs Leben kann schmerzlich sein, wenn die größte Leistung vielen Menschen den Tod brachte. "Schuld sind die Politiker, die sich nicht einigen können, und nicht der Erfinder", sagt Kalaschnikow.

Man kann es so sehen, dass seine Idee Abertausende umbrachte. Man kann es aber auch so sehen, dass er Ende des Zweiten Weltkriegs als Oberfeldwebel lediglich einen Bauplan zeichnete, der sich durchsetzte. Einen Bauplan, der seiner sowjetischen Armee helfen sollte, sich gegen die Deutschen zu wehren. "Ohne die Deutschen wäre ich niemals Waffenkonstrukteur geworden", sagt Kalaschnikow. Vielleicht ist das die Sichtweise, die es ihm erlaubt, mit seinem Lebenswerk fertigzuwerden. Außer seiner Bekanntheit blieb ihm nicht viel. Geld für Lizenzen bekam er nie. 2004 war er jedoch als Ehrengast dabei, als in London ein "Kalashnikov Vodka" präsentiert wurde.

Angeblich wohnt er in einem Plattenbau. Er hat ein kleines Büro in Ischewsk, der Stadt, aus der die Kalaschnikows kommen. Sie lassen sich leicht herstellen. Was früher ein Vorteil war, ist jetzt der Grund, weshalb der Originalhersteller Ischmasch fast pleite ist. Überall bauen Waffenkonstrukteure Kalaschnikows nach. Die Plagiate sind qualitativ schlechter, sagt Kalaschnikow. Doch zum Töten scheinen sie zu reichen. Der Bauplan ist einfach zu gut.

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19 Kommentare

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  • E
    Ergänzend

    Der Vollständigkeit halber:

     

    http://www.kaidiekmann.de/fehlzundung/2009/11/10/

     

    Und die Retourkutsche (das Gute wird siegen, wenn auch nur im Netz):

     

    http://www.bildblog.de/13667/boecke-schiessen/

  • JU
    Julius Uhlmann

    die RAF hat keine AK-47 in ihrem logo sondern eine HK MP5

  • V
    vic

    Ich musste eben auf D-Radio mitanhören, wie dieser Mann noch immer stolz auf Verkaufszahlen und Effektivität seiner Scheißwaffen ist.

  • A
    aso

    Ist ja enorm, wieviele Waffenfetisch...ähh, -experten...sich hier outen...

    Ist klar: der deutsche RAFler macht keine Werbung für ausländische Produkte in seinem Logo, sondern bevorzugt deutsche Wertarbeit...soviel Heimatverbundenheit muß sein...

     

    Wahrscheinlich hatten die Deppen damals einfach keine bessere Vorlage, denn Links bevorzugt weltweit das russische Produkt...

    Die Waffe wurde zunächst geheim gehalten, bis russische Politiker sich zum Export entschlossen, und die Waffe spätestens seit dem Vietnam-Krieg Kult-Charakter hat, und in

    kurzer Zeit zum Symbol des Aufstands und zum beliebten Logo von Freiheitskämpfern und Terroristen weltweit avancierte.

  • I
    Icke

    Ist euch mal aufgefallen, dass der Herr Kalaschnikow erst morgen, also am 10.11. Geburtstag hat?

  • W
    Wunschgeschichtenerzähler

    "Die Wissenschaft hat keine moralische Dimension. Sie ist wie ein Messer. Wenn man sie einem Chirurgen und einem Mörder gibt, gebraucht es jeder auf seine Weise." (Wernher von Braun)

     

    Schätze irgendwie trifft das hier auch zu...

     

    Trotzdem werden sowohl Wernher von Braun, als auch Kalaschnikow für ihre Lebenswerke (beim ersten vor allem auch für den blutigen Weg dorthin) wohl stets und bis zu einem gewissen Punkt zurecht negativ betrachtet werden.

  • S
    SPD-Mitglied

    Es passt zur LINKEN, wenn ihr Sprachrohr die TAZ Kalaschnikow hochleben lässt. Pazifismus und Anti-Krieg gilt ja nur gegen den Westen und nicht gegen die Osterrungenschaften! Ein echter Held der Arbeit, dessen Produkt an der innerdeutschen Grenze gegen Republikflüchtlinge eingesetzt wurde, die den real existierenden Sozialismus einfach nicht mehr ertragen konnten.

    Lieber Tod als Rot! Nie wieder LINKE!

  • T
    Tsaimath

    Es gab da mal vor ein paar Jahren, naja, inzwischen vor ~150 Jahren, einen Mann in Schweden der hatte eine geniale Idee wie man den Bergbau revolutionieren konnte, einen Zündungssicheren Sprengstoff.

    Man könnte behaupten das dieser Zündungssichere Sprengstoff (und einige andere seiner Erfindungen) nichtnur den Bergbau sondern auch die Waffentechnik revolutioniert haben und vermutlich mehr Menschen umgebracht haben als alle AK-47 zusammen (womit ich auch auf seinen Erfindungen aufbauende Erfindungen meine)

    Laut einer "Legende" hat sich besagter Mann als er den Missbrauch seiner Erfindung gesehen hat selbst umgebracht

    Heute bringen die meisten Menschen diesen Mann nicht mit (Massen)Mord in Verbindung sondern mit etwas viel friedlicherem

    Man sollte auch Herrn Kalaschnikow nicht für eine Erfindung verurteilen oder "segnen" denn wie heißt es so schön:

    "Not gun's kill people. People kill People"

     

    Im Übrigen: der Mann auf den ich oben "hinweise" hieß Alfred Nobel, womit man ihn heute in Verbindung bringt sollte ja klar sein ;)

  • S
    Shrike

    Ich finde den Unterton des Artikels etwas fragwürdig.

     

    Kalaschnikows Heimat befand sich im Krieg gegen die Nazis, und angesichts des Angriffes auf die eigene Heimat hat man sich doch tatsächlich gewehrt.

     

    Er hat die AK-47 erfunden, na und ?

    In dieser Situation völlig legitim und nachvollziehbar.

     

    Hätte er eine Massenvernichtungswaffe, eine Bio-Waffe etc. erfunden, wäre das wahrscheinlich etwas anderes.

    Aber so ?

     

    Unzählige Nationen unterhalten Streitkräfte, deren Soldaten mit der AK-47 ausgestattet sind, OHNE dass diese Staaten deshalb Angriffskriege führen.

     

    Dass die Waffe oft kopiert wird und in Bürgerkriegen zum Einsatz kommt, ist letztlich nicht Kalaschnikows Schuld.

     

    Und wo zieht man eigentlich die Grenze ?

    Küchenmesser, Jagdgewehre etc. sind auch Waffen.

     

    In Kenia gab es (ich glaube letztes Jahr) Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen, bei denen sich verfeindete Kämpfer tatsächlich mit Pfeil und Bogen (!) getötet haben.

    Muss sich der steinzeitliche Erfinder des Bogens jetzt schämen ?

    Die Menschen finden immer Wege und Mittel.

     

    So wie die Lage der Menschheit derzeit aussieht, wird es auf absehbare Zeit auch weiterhin Waffen geben und auch geben müssen, eine andere Frage ist die nach der Eigenverantwortung der Waffenbenutzer.

  • B
    brandeis

    "Keine Waffe hat in den letzten 60 Jahren mehr Menschen getötet als die von Michael Kalaschnikow erdachte."

    Interessant, wurde die Waffe doch hauptsächlich von Kommunisten eingesetzt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

  • G
    GonZoo

    Als ich diesen Artikel las dachte ich an den Piloten und Co-Piloten des Flugzeugs, das die Atombombe auf Hiroshima abwarf: Paul Tibbets bedauerte nichts, Claude Eatherly landete in der Klapse.

     

    Beide zusammen haben über 240.000 Einwohner von Hiroshima getötet.

     

    Gegen Michael Kalaschnikow sind das Waisenknaben. Aber offenbar gibt es in der menschlichen Psyche einen Schalter, der einen nicht nach außen erkennbar verrückt werden läßt, wenn man so etwas anrichtet.

  • AP
    alex p

    Wieder einmal ein gutes Beispiel dafür, wie das Lebenswerk eines einzelnen Menschen in der heutigen Zeit jedes Maß (im guten wie im schlechten) überschreiten kann. Ungewöhnlich ist hier nur, dass es sich nicht um einen einfachen Gegenstand wie einen Kugelschreiber handelt oder eine Erfindung, die sich über das Internet verbreitet, sondern um eine Waffe, die aufgrund ihrer simplen Bauweise in unfassbaren Stückzahlen gefertigt wurde und zum Tod von unzähligen Menschen geführt hat.

     

    Die Frage ist nur: Ist der Erfinder, oder die Waffe an sich, wirklich Schuld daran? Ist der Videorekorder schuld daran, wenn das krude Beispiel erlaubt sein darf, dass in den 80er Jahren immer mehr Menschen Kopien von Fernsehsendungen anfertigen konnten, vom Internet ganz zu schweigen? Ich glaube, in gewisser Weise hat der Mann recht, er ist nicht wirklich "Schuld" an seiner Waffe sondern hat sie für einen damals gerechtfertigten Zweck entworfen. Aber sein Produkt hat den Erfinder im Laufe der Zeit vollständig überstiegen und sich selbständig gemacht.

  • AB
    Alexander Burhans

    dummerweise hat der grafiker der raf gepennt und die heckler und koch mp5 genommen, die waffe der polizei, also nix imit dem symbol.

    • V
      VerLinker
      @Alexander Burhans:

      Dazu empfehle ich:

      www.cicero.de/berliner-republik/mp-5-statt-kalaschnikow-–-die-falsche-knarre-der-terroristen/41797

  • R
    rattengift

    die waffe im wappen der raf ist möglicherweise eine mpi 5 aus dem hause heckler und koch (was vielleicht die entwicklungen des einen oder anderen raf-lers vorwegnimmt), aber mit sicherheit keine kalaschnikow.

  • DM
    D. M.

    Die RAF führte eine Heckler & Koch MP5 in ihrem Logo. Das Gerücht, es sei eine AK 47, ist schon durch bloßes Hinsehen widerlegbar. Die beiden Waffen haben keine Ähnlichkeit.

  • ST
    Sebastian Thiel

    Aus historischer Genauigkeit ist zu beachten, dass die RAF diese Waffe nicht im Wappen trug, sondern eine Heckler und Koch.

  • T
    Tyrfing

    Die Waffe im Wappen der RAF war eine MP5 der Firma Heckler und Koch.

  • H
    hm?

    netter artikel, aber recherche wäre auch schön ->das RAF-logo zeigt eine deutsche H&K mp5, keine kalaschnikow