Porträt: Der Akribiker an der Bande
Pavel Gross kann auch ganz anders. So wie vor einem Jahr, als der Eishockey-Klub Grizzlys Wolfsburg im Halbfinale gegen die Adler Mannheim die dritte Niederlage kassierte und damit dem Aus im Titelkampf sehr nahe gekommen war. Der tschechische Trainer, am 11. Mai 1968 mitten in den „Prager Frühling“ hineingeboren, verlor damals gehörig die Contenance.
Zunächst kletterte er auf die Bande und schrie wüste Beschimpfungen in Richtung der Mannheimer Bank, und dann beleidigte er in der Pressekonferenz Adler-Manager Teal Fowler. „Was mich geärgert hat? Da musst du einen anderen fragen. Da hast du den ehemaligen fucking Oberligisten“, sagte Gross nach dem ernüchternden 0:4 der Wolfsburger einem Journalisten und deutete in Richtung Fowler.
Es ist dieser übergroße Ehrgeiz, der immer mal wieder aus Gross herausbricht. Mit seinen Grizzlys ist der frühere Angreifer, der mit Mannheim dreimal DEL-Champion wurde, auf einem bemerkenswerten Weg. Der 47-Jährige hat in den vergangenen sechs Jahren seines Wirkens an der Bande aus einem Play-off-Wackelkandidaten ein Spitzenteam geformt, das nun zum zweiten Mal in der Vereinshistorie die Finalserie um die Meisterschaft in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) erreicht hat. Im April 2011 hatte Gross die Niedersachsen schon einmal zur Vizemeisterschaft geführt. Gegen die Eisbären Berlin setzte es damals ein 0:3 im Endspiel.
Mit dem 2:1-Erfolg bei den Nürnberg Ice Tigers am gestrigen Sonntag haben sich die Wolfsburger nun mit 4:2 Siegen gegen die Franken durchgesetzt. Gegner im Play-off-Finale ist der „Dosenklub“ EHC München, der dank der Zuwendungen eines österreichischen Getränkeproduzenten ein Top-Team zur Verfügung hat.
Die Vereinsführung der Wolfsburg Grizzlys hatte schon Anfang des Jahres ihre Wertschätzung für Gross zum Ausdruck gebracht, indem sie seinen Vertrag vorzeitig bis 2018 verlängerte. Von Sportdirektor Karl-Heinz Fliegauf gab es Komplimente für Gross: „Pavel hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er in der Lage ist, die Mannschaft auf Kurs zu halten. Seine Handschrift und die Philosophie unseres Clubs passen perfekt zusammen. Er ist sehr detailverliebt, arbeitet akribisch und nimmt sich für die Spieler unheimlich viel Zeit, um sie zu verbessern.“ Gross gab am Tag der Vertragsverlängerung zu verstehen, dass er vom großen Coup mit den Grizzlys träumt. „Nach wie vor sehe ich in Wolfsburg sehr viel Potenzial“, sagte er. Die Chance auf den ganz großen Gewinn ist nun da. Die Grizzlys fordern die Bullen heraus – und anders als an der Börse soll dieses Mal der Bär zum Symbol für Erfolg werden. gör
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