Porträt: Doppeltes Urgestein
Als Christian Schulz vom SV Werder Bremen zu Hannover 96 wechselte, galt er dort schon als Urgestein. Das war vor fast neun Jahren und Schulz war erst 24. Aber er galt als Vorzeigeschüler der Nachwuchsabteilung, einer der wenigen Eigengewächse, die tatsächlich den Sprung ins Bundesligateam schafften – und stammte noch dazu aus dem Nachbarort Bassum. Mit zwölf Jahren war er bei Werder gelandet, wurde später U21-Nationalspieler und gehört der Mannschaft des Double-Siegers 2014 an. Sogar einen Spitznamen hatte er schon bei den Fans: „Schulle“ und nach jeder gelungenen Aktion schallte ein langgezogenes „Schuuuulz“ durchs Stadion.
Doch das richtige Vertrauen von Langzeit-Trainer Thomas Schaaf bekam er nie zu spüren, jedes Jahr wurde ihm ein neuer Spieler auf seiner Stammposition als linkem Verteidiger vor die Nase gesetzt: Von 2003 bis 2007 lautete die Liste: Ümit Davala, Gustavo Nery, Jelle van Damme und Pierre Womé. Publikumsliebling Schulz nahm es sportlich, zumal er über kurz oder lang alle Konkurrenten ausstach. Aber als er in der Sommerpause 2007 hörte, dass Werder nun auch noch den linken Verteidiger Duško Tošićverpflichten wollte, hatte er endgültig genug von der Kaderpolitik seines Jugendvereins und setzte sich nach Hannover ab.
Dort war er in den letzten neun Jahren eine immer verlässliche Größe, stieg erst vom Außen- zum Innenverteidiger auf und zu Beginn dieser Saison schließlich zum Kapitän. Längst ist er auch in Hannover das Urgestein eines Kaders, der seit seiner Ankunft mehrfach durcheinandergewirbelt wurde. Als einziger trägt er noch die Erfahrung zweier erfolgreich bestandener Abstiegskämpfe 2010 und 2015 weiter, eine Erfahrung die wohl noch nie so wichtig war wie in der augenblicklichen Situation.
Bis zum vergangenen Samstag galt Hannover 96 als sicherster Absteiger, auch unter Neu-Trainer Thomas Schaaf hatte es fünf Niederlagen am Stück gegeben. Landauf, landab machte sich schon die Sorge breit, die Trainerlegende könnte sich nach dem missglückten Gastspiel bei Eintracht Frankfurt den Ruf nun endgültig versauen. Gegen den VfB Stuttgart, der sich umgekehrt mit einer überzeugenden Siegesserie gerade aus dem Abstiegskampf befreit hat, rechnete fast jeder mit dem nächsten Schritt in die Zweitklassigkeit.
Doch dann kam Schulz. Mit dem zweiten Doppelpack seiner Karriere verhinderte er das komplette Debakel des Trainers, der ihm einst zu wenig vertraute. Er gab der abgeschriebenen Hoffnung auf den Klassenerhalt neue Nahrung. „Eine schöne Geschichte, aber nur der erste Schritt“, so Schulz: „Es ist egal, wer die Tore macht.“ Aber das stimmt in diesem Fall nicht. RLO
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