Porträt: Die Traditionalistin
Der Schläger war sehr kurz, aber die Leidenschaft für Hockey außerordentlich groß. Sechs Jahre alt war Janne Müller-Wieland, als sie erstmals mit dieser am unteren Ende gebogenen Kelle den Ball führte. Vielleicht wird sie damals schonmal davon geträumt haben, es einmal ins deutsche Nationalteam zu schaffen und ein großes Turnier zu erleben. An die ganze Bandbreite dessen, was der Hockeysport ihr bescheren würde, wird die heute 28 Jahre alte Hamburgerin nie und nimmer gedacht haben.
Die Kapitänin des Bundesligavereins Uhlenhorster HC hat am Donnerstagabend beim traditionsreichen Hamburg Masters ihr 200stes Länderspiel im Nationaldress absolviert. Das Ergebnis der Partie wurde dem Jubiläum allerdings nicht gerecht: Gegen Schottland verloren die deutschen Damen überraschend mit 3:4. Die Nummer 201 folgte schon am Sonnabend: ein 5:2 gegen Spanien. Zweimal nahm Müller-Wieland bislang an Olympischen Spielen teil – 2008 in Peking als jüngste deutsche Spielerin. Das deutsche Team wurde Vierter. Und vier Jahre später folgten die Spiele in London. Dort wurde die erhoffte Medaille mit dem siebten Rang deutlicher verpasst.
Im dritten Anlauf im kommenden Jahr bei den Spielen in Rio de Janeiro soll es endlich etwas werden mit dem ersehnten Edelmetall. Das ist das große Ziel. Auf dem Weg dorthin wird die EM in London Ende August ein weiterer Höhepunkt sein.
Durch Hockey ist die Deutsche Meisterin, Europameisterin und Hamburger Sportlerin des Jahres 2011 in der Welt herumgekommen. Die wohl spannendste Zeit ihrer Laufbahn erlebte sie in der zweiten Jahreshälfte 2014. Damals spielte Müller-Wieland in der japanischen Liga für die West Red Sparks, dem Werksklub eines Brauseherstellers. Da gab es einige kuriose Erlebnisse, etwa, dass sie und ihre Teamkolleginnen für einen Sieg einmal in Naturalien entlohnt wurden. Für den Erfolg in Wakayama gab es einmal eine Kiste der berühmten Wakayama-Tomaten für das gesamte Team. Und ein anderes Mal traf sich die Mannschaft, um ein eigentlich sehr sauberes Spielfeld noch vom letzten Rest an Unrat zu befreien.
Auf dem Spielfeld hat die Hamburgerin einige Prinzipien: „Stehen bleiben und in Schönheit sterben nach verlorenen Bällen“ sei etwas, das sie sehr ärgere. Ebenso das Verhalten, „auf dem Spielfeld unangenehm herumzupöbeln statt Fehler einzugestehen“. Und das Tragen von Leggings unterm Rock, das gehe gar nicht. Da ist Janne Müller-Wieland Hockey-Traditionalistin. Sie hat noch viel vor mit ihrem geliebten Sport. Das Erreichen der Marke von 250 Länderspielen scheint bloß eine Frage der Zeit zu sein. gör
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