piwik no script img

PorträtVon Osenhorst bis Sydney

■ DFB-Fußballerin Doris Fitschen absolviert heute gegen Norwegen ihr 100. Länderspiel

Kann die Szenerie prächtiger sein? „Auf keinen Fall“, sagt Doris Fitschen. Nach Silvia Neid (DFB-Trainerin, 111 Länderspiele), der international nicht mehr aktiven Heidi Mohr (TuS Niederkirchen, 104) und der jetzigen Nationalkapitänin Martina Voss (FCR Duisburg, 104) ist sie die vierte Fußballerin in Deutschland, die ihr 100. Länderspiel absolviert. Gegnerinnen im heutigen WM-Qualifikationsspiel sind Norwegens Fußballerinnen. „Ein Jubiläum gegen den Weltmeister“, sagt Fitschen, „das hat was.“

Bei der Neuauflage des WM- Finales von 1995 geht es in Bayreuth um wichtige Punkte auf dem Weg zur dritten Frauen-WM 1999 in den USA – und Fitschen wird dabei die verletzte Voss als Kapitänin vertreten.

Die Niedersächsin vom Bundesligazweiten SG Praunheim, die vor ein paar Tagen beim Frankfurter Sportpressefest in der Alten Oper ihren 29. Geburtstag gefeiert hat, erreicht als 21. Frau der Welt den „Hunderterklub“, wie die Fifa ihre Ranglistenelite bezeichnet.

Fitschen, gelernte Industriekauffrau und Systemanalytikerin, studiert am Main Betriebswirtschaft, weil sie nach dem „Traumziel Olympia 2000“ im Sportmanagement ihre Zukunft sieht. Eigentlich kommt sie von einem Bauernhof in der Nordheide. Nur auf wenigen Karten ist Osenhorst überhaupt verzeichnet. Natürlich hat sie gelernt, wie man eine Kuh von Hand melkt. Natürlich haben die Osenhorster Jungs gekickt, wann immer ihnen danach war. Und genauso natürlich war Fitschen mittendrin. Der Vater kam irgendwann nicht mehr umhin, ein paar Latten als Tor an seine Scheune zu zimmern. Also bitte, wenn da kein Tordrang entsteht!

In ihrer Karriere mit drei EM-Titeln, einer Vizeweltmeisterschaft und der Olympiateilnahme in Atlanta hat Fitschen schon in allen Mannschaftsteilen gespielt. Bei den ersten Länderspielen, für den TuS Westerholz, war sie Mittelstürmerin. Gleich beim Debüt im Oktober 1986 (2:0 über Dänemark) gelang ihr ein Treffer.

Als die DFB-Frauen 1989 in Osnabrück vor über 22.000 Zuschauern erstmals den EM-Titel gewannen, spielte Fitschen im Mittelfeld. Üer den Weg vor dem Hof in Osenhorst hatten die stolzen Eltern damals eine Wäscheleine mit dem ersten Neuner-Trikot gespannt. Danach machte Chefcoach Gero Bisanz, zunächst aus Personalnot, später aus Überzeugung, Fitschen zur Libera. Dort spielte sie, bis in diesem Sommer Bisanz-Nachfolgerin Tina Theune-Meyer die „5“ vor die Abwehr stellte. Das Ergebnis: mehr Flexibilität für die Defensive wie für die Offensive. „Doris ist eine vielseitige Führungspersönlichkeit. Sie hat das bei der EM sehr gut gemacht mit ihrem Willen und ihrer Zweikampfstärke“, sagt Theune- Meyer.

Da hat sich also jemand erinnert, daß Fitschen in sieben Jahren zweigeteilter Bundesliga für ihre Klubs VfR Eintracht Wolfsburg, TSV Siegen und SG Praunheim 96 Tore geschossen hat. Am Rande bemerkt: Niemand außer Heidi Mohr traf öfter.

„Nie für Platz zwei trainieren“: Fitschen Foto: Hennies

Doris Fitschen fühlt sich in der neuen Flexibilität pudelwohl. „Ich spiele gerne Libero. Aber dort darf ich nicht so risikofreudig sein wie im Mittelfeld“, sagt sie. „Dafür muß ich jetzt wieder mehr laufen.“ Von einem zweiten Frühling mag sie nicht sprechen, vielmehr von der neuen Verantwortung. Sie und Martina Voss sind als einzig Verbliebene aus alten Tagen die Leitfiguren eines jungen Teams, mit dem Theune-Meyer bei der WM und ein Jahr später bei Olympia Edelmetall gewinnen will. „Never train for a second place“, hatte Fitschen vor dem (gewonnenen) EM-Finale in Oslo an die Tafel des Besprechungsraumes geschrieben. Mit dieser Maxime geht sie Richtung Sydney. Rainer Hennies

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen