Porträt von Klaus-Michael Kühne: Der Problem-Wohltäter
Klaus-Michael Kühne erkor den HSV aus, um „eine zweite Macht neben dem FC Bayern aufzubauen“. Aber nun steht der Club wieder am Rand des Abstiegs.
HAMBURG taz | Manchmal ist es von Vorteil, etwas kleiner zu sein. Wer weiß, ob der Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne sich nicht entschlossen hätte, seinen Geldsegen in Bremen niederregnen zu lassen, wenn es das Zeug zur Weltstadt hätte, schließlich hat sein Unternehmen dort seinen Stammsitz. Vor ein paar Jahren konnte er ja noch nicht ahnen, wie hartnäckig in Bremen einmal an die Rolle von Kühne + Nagel bei der Beraubung der jüdischen Bevölkerung in der Nazizeit erinnert werden würde.
Aber unter Weltniveau macht es Kühne nun mal nicht, und so erkor er den HSV aus, um „eine zweite Macht neben dem FC Bayern aufzubauen“, wie er den Grundgedanken seines HSV-Investments skizziert. Es soll sich inzwischen insgesamt auf 100 Millionen Euro belaufen und hat den Klub nicht nur erneut an den Rand des Abstiegs, sondern auch zu zerrütteten Finanzen und in die Abhängigkeit vom launischen Patriarchen geführt.
Mal Transfers, mal Anteile
Mal finanzierte Kühne konkrete Transfers wie den von Rafael van der Vaart, dann gewährte er großzügige Darlehen und seit der Umwandlung der Profimannschaft in eine AG kauft er Anteile – inzwischen sind es 17 Prozent von insgesamt 24,9 Prozent, die der HSV ohne Zustimmung der Mitglieder veräußern kann. Rechnet man die 3,79 Prozent hinzu, die sich drei Kleininvestoren teilen, bleibt nicht mehr viel, um in der nächsten Finanzkrise handlungsfähig zu sein. Wenn Kühne nicht gerade wieder 15 Millionen Euro für das letzte Aktienpaket lockergemacht hätte, erhielte der Klub schon jetzt wohl keine neue Lizenz für die kommende Bundesligasaison.
Mitte der Woche hatte der Investor via Sportbild noch die Sorgen der HSV-Anhänger erhöht, als er ein erneutes Engagement offenließ. Dabei war die Kapitalerhöhung längst beschlossen, die tags darauf per Pressemitteilung verkündet wurde und ihn mal wieder als Retter dastehen ließ. Das Kommunikationsmuster war nicht neu – neu war nur, dass er ein ihm wohlgesonnenes Blatt dumm dastehen ließ.
Faktisch der mächtigste Mann im Verein
Egal, wie groß Kühnes Einfluss auf Personalentscheidungen beim HSV ist: Solange der faktisch mächtigste Mann im Verein nicht in eine solide sportliche Planung eingebunden wird und sich zu Verkehrsformen bekennt, die die öffentliche Degradierung von Mitarbeitern ausschließt, werden weite Teile der Republik hoffen, dass dieses unförmige Geschäftsmodell namens HSV eine Chance zur Konsolidierung seiner Strukturen in der Zweiten Liga erhält.
Der direkte Abstieg ist mit dem 1:1 auf Schalke zwar abgewendet. Sollte der HSV am Samstag aber nicht gegen Wolfsburg gewinnen, muss er einmal mehr zwei Entscheidungsspiele gegen den Zweitliga-Dritten bestreiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste