Porträt Matthias Müller: Alles VW, oder was?
Er ist lässig, aber entschlossen. Eigentlich hielt er sich für zu alt für den VW-Chefsessel, für eine Übergangszeit wird es wohl reichen.
Er mag’s lässig: Während andere Autobosse bei Präsentationen auf Automessen im Anzug erscheinen, kommt Matthias Müller schon mal im Pullover ohne Krawatte zur Show. Das Varoufakis-Outfit sollte aber nicht über die Entschlossenheit hinwegtäuschen, mit der der 62-Jährige seit fast vier Jahrzehnten für VW arbeitet.
Jetzt soll er den Konzern aus dem Dreck der Abgasaffäre ziehen. Offiziell bestimmt der Aufsichtsrat erst am heutigen Freitag den Nachfolger des zurückgetretenen VW-Chefs Martin Winterkorn. Allerdings einigten sich mehrere Medien am Donnertag bereits auf einen Favoriten: den amtierenden Porsche-Chef Müller.
VW-Chef zu sein ist nicht irgendeine Aufgabe: Der Konzern hat 600.000 Mitarbeiter weltweit, davon ein Fünftel vor allem in Norddeutschland. „Wenn VW hustet, bekommt Niedersachsen eine Grippe“, sagen sie in Wolfsburg. Hierhin muss der nahe Chemnitz geborene und in Bayern aufgewachsene Müller jetzt umziehen. Müllers Weg bei VW begann 1978 als Auszubildender bei Audi in Ingolstadt. Der gelernte Werkzeugmacher setzte ein Informatikstudium drauf, kehrte zu Audi zurück – und machte als Produktmanager unter dem damaligen Audi-Chef Winterkorn den A3 zum Verkaufsschlager.
Müllers Karriere ist eng mit Winterkorn verknüpft: Als dieser 2007 VW-Chef wurde, beförderte er Müller zum Produktstrategen des Konzerns in Wolfsburg. Nur drei Jahre später schickte Firmenpatriarch Ferdinand Piëch ihn in heikler Mission als neuen Chef zu Porsche. Gerade waren damals die Stuttgarter mit dem Versuch gescheitert, den viel größeren VW-Konzern zu übernehmen. Müllers Aufgabe war, die Integration zu vollziehen. Das Absatzziel von über 200.000 Fahrzeugen im Jahr wird Porsche wohl dieses Jahr erreichen – drei Jahre früher als angepeilt.
Porsche ist neben Audi die Cash-Cow im VW-Konzern. Müllers Vorteil ist, dass er Netzwerke und Entscheidungswege im Konzern gut kennt. Zudem spricht er eine klare Sprache: Müller forderte schon lange einen Generationswechsel nach Winterkorns Amtszeit 2016. Allerdings sagte er damals: „Ich bin zu alt für den Job.“ Nun ist klar: Zumindest für eine Übergangszeit ist Müller bereit, wenn Wolfsburg ruft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee