Porträt Husni Mubarak: Drei Jahrzehnte an der Macht
Attentatsversuche, Krankheit und islamistisches Aufbegehren hat Mubarak unbeschadet überstanden. Jetzt verweigert ihm sein Volk nach drei Jahrzehnten die Gefolgschaft.
KAIRO taz | Die Sterne standen stets günstig für den modernen Pharao, zumindest in der staatlichen ägyptischen Tageszeitung al-Gumhuriya. Anders als bei den anderen Sternzeichen mit ihrem täglich wechselndem Auf und Ab fanden sich dort unter dem präsidialen Horoskop des Stieres immer nur huldigende Prophezeiungen "Deine Taten sind heute ehrlich, und was du sagst, ist einfach wunderbar", hieß es so oder so ähnlich, egal an welchem Wochentag. So wurde das ägyptische Staatsoberhaupt Husni Mubarak jeden Tag der Woche nicht nur auf den Titelseiten der staatlich gelenkten Presse gepriesen.
Doch nun befindet sich sein Stern im freien Fall, und um im Universum zu bleiben: Seine letzten Auftritte erschienen eher von einem anderen Planeten, Galaxien von seinem Volk entfernt, das ihm nach 30 Jahren Herrschaft kollektiv die Gefolgschaft verweigert.
Eigentlich hatte man in den letzten Jahren eher ein anderes Ende Mubaraks vermutet. Immer wieder war über den Gesundheitszustand des 82-Jährigen spekuliert worden. Dass sein 12-jähriger Lieblingsenkel überraschend im Mai 2009 starb, hatte Mubarak sichtlich mitgenommen.
Völlig teilnahmslos empfing er wenige Tage darauf Barack Obama zu dessen historischer Islamrede in Kairo. Neben dem jungen US-Präsidenten wirkte der apathische Mubarak wie eine steinerne Sphinx. Ganz Ägypten spekulierte daraufhin, dass Mubarak zumindest mit seinem politischen Leben abgeschlossen habe.
Viele Ägypter hatten bereits 2003 gedacht, es sei so weit, als Mubarak bei einer Rede vor dem Parlament zusammengebrochen war. Zahlreich waren die Gerüchte, dass er regelmäßig ins Koma falle. Krankenhausaufenthalte in Deutschland und in Frankreich heizten die Gerüchteküche an. Aber ebenso häufig kamen die offiziellen Dementis. "Meinem Mann geht es wie einer blühenden Jasminblüte", versuchte Ägyptens First Lady Susanne Mubarak im August 2007 blumig alle Bedenken zu zerstreuen. Doch sein wahrer Gesundheitszustand wurde wie ein militärisches Staatsgeheimnis gehütet.
Einher damit ging stets die Sorge der Ägypter darüber, wie es weiter geht, wenn der Mann, der drei Jahrzehnte an der Spitze des Staates stand, einmal nicht mehr die Geschicke ihres Landes lenkt. Viele wollten ihn loswerden. Farblos, ohne Visionen, manchmal etwas tölpelhaft, am Ende eben doch mit der Mentalität eines ägyptischen Fellachen, galt er aber auch als ein eher unspektakulärer Garant für Stabilität.
Trotz seines nicht zimperlich agierenden Geheimdienstapparates, der ihm mehr als alle inszenierten Scheinwahlen die Macht in seinem korrupten Staat absicherte, war er für viele an den Ufern des Nils vielleicht doch noch besser als alles Unbekannte, das in Zeiten benachbarter nahöstlicher Konflikte nach ihm lauert. Das galt umso mehr, als die meisten Ägypter nur ein Leben unter Mubaraks Herrschaft kennen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist unter 20 Jahre alt.
Spätestens mit der Revolte in Tunesien war auch ein anderes Szenario ad acta gelegt: Die Versuche, seinen Sohn Gamal als pharaonischen Thronfolger zu etablieren. Diese waren ohnehin immer zweideutig geblieben und offiziell niemals abgesegnet worden. Da war wohl auch das Militär davor, das in der Republik Ägypten gerne selbst ausklüngelt, wer die Staatsgeschäfte lenken darf, und aus eigenem Machterhaltungstrieb skeptisch auf alle dynastischen Anwandlungen blickt.
Mubarak selbst entsprang zunächst dieser Logik. Er entstammte einer klassischen Mittelschichtfamilie aus der nördlich von Kairo gelegenen grünen Nildeltaprovinz Monuifija, die damals zeitgemäß im Militär die beste Karriereleiter für den jungen Husni sah. Der durchlief eine traumhafte Karriere an der nationalen Militärakademie, kam zur Luftwaffe.
Wurde zwei Jahre nach der Niederlage gegen Israel 1967 in das Kommando der Luftwaffe berufen und 1972 zum Luftwaffenchef und Vizekriegsminister erkoren. Drei Jahre später ernannte ihn sein Mentor, der damalige Präsident Anwar al-Sadat, zum Vizepräsidenten.
Anders als seine eher wenig aufsehenerregende Persönlichkeit, waren die Umstände von Mubaraks Amtsantritt spektakulär oder besser gesagt, das Ende seines Vorgängers war es. Sadat wurde am 6. Oktober 1981 bei einer Militärparade in Kairo von einer Gruppe militanter Islamisten auf der Tribüne erschossen.
Acht Tage nach der Ermordung Sadats übernahm dessen Stellvertreter Mubarak mit wesentlich weniger Charisma und kaum internationalem Bekanntheitsgrad das Staatsszepter. Es hätte trotz seiner vorherigen Ernennung zum Vizepräsidenten ganz anders kommen können. Mubarak saß bei der besagten Militärparade direkt neben seinem Vorgänger Sadat, als die heiligen Krieger der radikal-islamistischen Dschihad-Gruppe von der Parade aus die Tribüne unter Beschuss nahmen. Der damals 53-jährige Mubarak blieb wie durch ein Wunder unversehrt.
Fünf Anschläge
Er sollte noch fünf weitere Anschläge auf sein Leben überstehen. Mal drehte sein geistesgegenwärtiger Fahrer bei einem Staatsbesuch im Juni 1995 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba gerade noch bei, als seine Fahrzeugkolonne in einen Hinterhalt militanter Islamisten geriet. Mal entdeckten die Sicherheitskräfte nur durch Zufall, dass die Landebahn, auf der das präsidiale Flugzeug herunterkommen sollte, vermint worden war. Mubaraks massig anmutender Körperbau war auch der schusssicheren Weste unter seinem Anzug geschuldet, ohne die er nie in der Öffentlichkeit auftrat.
Obwohl teilweise in der Sowjetunion als Pilot ausgebildet, baute Mubarak konsequent die Position des bevölkerungsreichsten arabischen Lands als wichtigster arabischer Verbündeter der USA aus. Der Höhepunkt dieser Politik war im Irakkrieg 1991 erreicht, als Mubarak gegen Saddam Hussein ägyptische Truppen zur Befreiung des von den Irakern besetzten Kuwait ins Feld schickte.
Ein Schritt, der sich für Ägypten finanziell mit einem Schuldenerlass von 20 Milliarden Dollar und einer weiteren Umschuldung in selber Höhe damals ausgezahlt hatte. Mubarak hatte schnell seine Chance erkannt, als Washington verzweifelt nach einem arabischen Alliierten gegen Saddam suchte. Das hielt ihn aber nicht davon ab, über ein Jahrzehnt später George W. Bush vor dem nächsten Feldzug gegen Saddam 2003 in weiser Voraussicht energisch vor dem Chaos zu warnen, das in der Region ausbrechen werde.
Den von seinem Vorgänger begonnenen kalten Frieden mit Israel erhielt Mubarak aufrecht und widersetzte sich dem Druck der arabischen öffentlichen Meinung, die zur Unterstützung der zwei palästinensischen Intifadas immer wieder einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Israel gefordert hatte. Aber es blieb ein unterkühltes Verhältnis.
Nur ein einziges Mal, zur Beerdigung des ermordeten israelischen Premiers Jitzhak Rabin, reiste Mubarak in sein kontroverses Nachbarland. So konnte sich der ägyptische Präsident immer wieder als ehrlicher Makler im Nahostkonflikt präsentieren, das letzte Mal, um einen Waffenstillstand im Gazakrieg zu erreichen oder indem er an der Freilassung des von der Hamas gefangen genommenen israelischen Soldaten Schalit arbeitete.
International schärfte Mubarak gerade mit dieser Vermittlerrolle sein Profil, während er innenpolitisch in den letzten Jahren seinem Land wenig neue Impulse brachte. Dort versuchte Mubarak die Islamisten im Zaum zu halten, indem er den Moderaten unter ihnen einen halb legalen Status verlieh, der es den Muslimbrüdern ermöglichte, bei den letzten Wahlen, trotz massiven staatlichen Wahlbetrugs ein Fünftel der Parlamentssitze zu gewinnen.
Doch Ägyptens Parlament hat nur begrenzten Einfluss, alle wichtigen Entscheidungen wurden stets vom Präsidenten selbst per Dekret beschlossen. Das noch aus Sadats Zeiten stammende Notstandsgesetz hat es Mubarak immer wieder ermöglicht, die Daumenschrauben gegen die Muslimbrüder anzuziehen, ihre Kader zu verhaften und sie durch Militärgerichte ohne faire Prozesse aburteilen zu lassen.
Bollwerk gegen Islamisten
Nach außen und innen verkaufte Mubarak sein Regime immer als Bollwerk gegen die Islamisten. "Entweder ich oder die Islamisten", lautete die Marketing-Grundlage. In Wirklichkeit hatte er, ohne eigenes säkulares nationales Projekt, den Islamisten gesellschaftlich längst das Feld überlassen. Sie durften Straße und Moscheen regieren, solange sie nicht die Machtfrage stellten. Zeigte sich für Letzteres nur das kleinste Anzeichen, trat der Sicherheitsapparat in Aktion.
Unterdessen machte eine Gruppe superreicher Geschäftsleute im Schatten des Regimes oder besser gesagt von Mubarak protegiert ihre Geschäfte, darunter auch seine beiden Söhne Gamal und Alaa. Zahlreich sind die Witze über die Korruption rund um Mubarak, wie beispielsweise der folgende: Alaa wird zur Mercedes-Vertretung in Kairo eingeladen.
"Für nur zwei Euro können sich Eure Exzellenz eine Luxuslimousine aussuchen", bietet der Mercedes-Verkäufer seine Bestechungsgabe an. Der Präsidentensohn zückt einen 10 Euro Schein. "Ich habe aber kein Wechselgeld", entschuldigt sich der Mercedesvertreter. "Macht nichts", entgegnet Alaa, "dann nehme ich gleich fünf Fahrzeuge."
Mubarak ist zeit seines politischen Lebens auf dem Reformohr taub geblieben. Er wusste wie alle arabischen Regime nur zu gut: Ernsthafte Reformen bedeuten in letzter Konsequenz, sich selbst wegzureformieren. Es gab in den letzten 50 Jahren keinen einzigen arabischen Führer, der abgewählt wurde. Veränderungen waren entweder biologischer Natur und wurden mit dem Tod des Staatsoberhaupts eingeleitet, mit einem Militärputsch oder mit einer ausländischen Intervention. Das war vor der neuen tunesischen Zeitrechnung. Nach dem Diktator Ben Ali ist Mubarak nun das zweite Opfer eines neuen arabischen Selbstbewusstseins. Im Zentrum Kairos, am Platz der Befreiung, schlägt des Pharaos letzte politische Stunde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“