piwik no script img

Port Package IIIKonkurrenz um jeden Preis

Neuer Entwurf einer Hafenrichtlinie der Europäischen Kommission sorgt für Unruhe in norddeutschen Häfen. Liberalisierung der Dienste soll den Wettbewerb fördern

"Zukunftsweisender Charakter": Ein Ideenwettbewerb für den Hamburger Steinwerder brachte die EU-Kommission auf neue, alte Gedanken. Bild: dpa

Mit einer neuen Hafenrichtlinie Port Package III droht die Europäische Kommission, den Konkurrenzkampf zwischen den Hafenstädten der EU und auch in den einzelnen Häfen anzustacheln. "Ich bin für eine Liberalisierung der Hafendienste", stellte der EU-Kommissar für Verkehr, der ehemalige estnische Regierungs-Chef Siim Kallas, jetzt vor dem Transport-Ausschuss des Europa-Parlaments klar. "Das macht deutlich, dass die Gefahr noch nicht gebannt ist", zeigt sich der Hamburger Europa-Abgeordnete Knut Fleckenstein (SPD) alarmiert.

Erst vor vier Jahren war die EU-Kommission mit einem ähnlichen Versuch gescheitert (siehe Kasten). Nach monatelangen heftigen Protesten von Gewerkschaften und Hafenbetrieben sowie auch von Hafenbetreibern in öffentlicher Hand war die Richtlinie Port Package II im EU-Parlament niedergestimmt worden. Aber nach der Europawahl vor einem Jahr hat sich die Zusammensetzung von Parlament und Kommission geändert - und der neue Kommissar Kallas will einen dritten Anlauf wagen.

Ironischerweise hat ausgerechnet die Hamburger Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) die Phantasie der Kommission beflügelt. Am 14. April hatten Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) und HPA-Chef Jens Meier in einem gediegenen Brüsseler Hotel mit einer Abendveranstaltung "The Port of Hamburg meets Brussels" für den Hafenstandort an der Elbe geworben. Im Zentrum stand der internationale Ideenwettbewerb für den Central Terminal Steinwerder (CTS), einer 125 Hektar großen, neu zu nutzenden Fläche im Hafen.

Das war Port Package II

Am 18. Januar 2006 wurde der zweite Entwurf einer EU-Hafenrichtlinie - Port Package II - vom Europa-Parlament abgelehnt.

Ziel der Richtlinie war es, den Wettbewerb zwischen den großen europäischen Häfen und innerhalb der Häfen zu verschärfen. Dadurch sollte die Effizienz erhöht, die Preise gedrückt und der Im- und Export verbilligt werden.

Als Instrument war vor allem die Ausschreibung aller Leistungen vorgesehen. Konzessionen für das Lotsen, Schleppen und den Güterumschlag sollten nur noch befristet vergeben und alle paar Jahre weltweit ausgeschrieben werden.

Die Besatzungen selbst sollten die Schiffe löschen und beladen dürfen - anstelle der Hafenarbeiter.

Besonders angetan von der CTS-Ausschreibung waren zwei einflussreiche Herren. Patrick Verhoeven, Präsident der europäischen Seehafenvereinigung (ESPO) verkündete, Hamburg als "Best-Practice-Model" in den Kodex der ESPO zur europäischen Hafennutzung aufzunehmen. Vom "zukunftsweisenden Charakter des Hamburger Ideenwettbewerbs" schwärmte nachgerade Matthias Ruete, Generaldirektor und engster Mitarbeiter von Transport-Kommissar Kallas. Und der verkündet nun seine Strategie, "den Wettbewerb zu fördern und Transparenz zu schaffen".

Hamburg müsse jetzt "in die Diskussion eingreifen, um klar zu machen, dass das mit uns nicht läuft", fordert Fleckenstein. Aber auch in Bremen "schrillen die Alarmglocken", sagt Holger Bruns, Sprecher der Behörde für Wirtschaft und Häfen. Der Bremer Senat habe aber noch keine offiziellen Informationen aus Brüssel erhalten. Einem erneuten Vorstoß zur Liberalisierung um jeden Preis stünde Bremen aber "definitiv ablehnend" gegenüber.

Grund für die Sorgen ist der Umstand, dass Umschlagsbetriebe die Flächen auf den Kais von der öffentlichen Hand langfristig pachten und dann dort ihre Terminals errichten. Würden diese Flächen jedoch auf Druck der EU künftig regelmäßig neu ausgeschrieben, sänke die Investitionssicherheit für Umschlagsbetriebe drastisch. Im Extremfall müssten im Ausschreibungsverfahren unterlegene Terminalbetreiber ihre vorhandenen Anlagen abreißen oder günstig an den siegreichen Konkurrenten verkaufen. Auch für die Beschäftigten im Hafenumschlag würden sich die Unsicherheiten hinsichtlich Arbeitsplätzen und Tarifen drastisch erhöhen. Ähnliche Konsequenzen würden auf Lotsen, Schlepperbetriebe und andere Dienstleister zukommen.

"Wir analysieren das gerade zusammen mit unseren Gewerkschaftskollegen in der EU", sagt Bernt Kamin, Chef des Hamburger Gesamthafen-Betriebsrats und der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF). Wenn Port Package III käme, "wäre das eine haarige Sache", konstatiert Kamin: "Da müssen wir rechtzeitig gegensteuern."

Seit einigen Tagen läuft bereits ein Konsultationsprozess über die Neuordnung allgemeiner Dienstleistungen in der EU. Alle möglicherweise betroffenen Stellen in Politik, Wirtschaft und Verbänden sollen bis zum 9. Juli bei der EU-Kommission ihre Einschätzungen zur Liberalisierung dieses Sektors abgeben. Außer Häfen werden in den Unterlagen auch Flughäfen, Trinkwasserversorgung oder Krankenhäuser genannt. "Wir haben Hamburg und Schleswig-Holstein frühzeitig darüber informiert, dass hier was im Busch ist", sagt Clemens Holtmann vom Hanse Office, der gemeinsamen Vertretung beider Länder in Brüssel. Jetzt müssten die Landesregierungen sich positionieren.

"Das bezieht sich ja nicht nur auf Häfen", sagt hingegen Michael Ahrens, Sprecher der Hamburger Wirtschaftsbehörde. "Deshalb gehen wir davon aus", so Ahrens optimistisch, "dass es kein Port Package III geben wird."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • HS
    Helmut S.

    Wann lernen die gnadenlosen Liberalisten in Brüssel endlich, dass man mit dem mutwilligen Zerstören gewachsener, funktionierender Strukturen mehr kaputt macht als man gewinnen könnte?

     

    Die europäischen Häfen stehen in starkem Wettbewerb zueinander und es ist ein schlechter Witz wenn behauptet wird, durch eine Liberalisierung aller Dienste würde die Wettbewerbsfähigkeit erhöht.

     

    Inwiefern stehen diese Häfen eigentlich in Konkurenz zu Asien???? Die Häfen stehen nicht in Konkurrenz zu asiatischen Häfen - die Aussenwirtschaft steht im Wettbewerb mit Asien - aber will man uns allen ernstes weiß machen, dass der Wettbewerb zwischen den europäischen Nord-Range-Häfen nicht ausreicht, um den europäischen Unternehmen faire Wettbewerbsbedingungen mit Asien zu bieten??

     

    Und dann natürlich wieder der übliche Angriff auf das europäische Lotswesen! In den meisten EU-Ländern sind die Lotsen gesetzl. geschützt und das hat seine guten Gründe. Es sind erfahrene Spezialisten mit langer Ausbildung, die dafür Sorge tragen, dass jedes Schiff (auch die alten, schlecht gepflegten) bei Wind/Wetter/Nebel Nachts wie Tags, einen Lotsen an Bord bekommt und sicher die Häfen anlaufen können. Bei normaler Arbeitsbelastung verdienen diese Leute in etwa das gleiche, was ein Kapitän verdient - weil sie schließlich Kapitäne sind!

    Was will das Port-package hier? Dafür sorgen, dass diese Leute schlechter verdienen als angemesssen - zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit?

     

    Mit der gleichen sinnlosen Forderung hat man versucht, der Deutschen Flugsicherung das Monopol zum Lotsen der Flugzeuge zu entreißen.

     

    Wann schnallen diese Liberalpopulisten endlich, dass es Bereiche und Strukturen gibt, die nicht nur zu wichtig sind, um sie dem Gott der Marktliberalität zu opfern, sondern die auch ganz hervorragend funktionieren - so wie sie sind!?

     

    Hat etwa schonmal jemand gehört, dass die Lotsung eines Schiffes oder Flugzeuges verspätet stattgefunden hätte, weil der Flug- oder Seelotse zuerst seinen Kaffee in Ruhe austrinken wollte???

     

    Ein Blick in die USA könnte den liberalen Strategen vielleicht die Augen öffnen. Dort hat man nicht nur vielfach schlechte und teure Hafenabfertigungen, es wird auch kräftig an den Kaianlagen gespart und Investitionen daran verschoben.

     

    Vielleicht reicht auch ein Blick rüber zum britischen oder neuseeländischen Bahnverkehrswesen. Letzteres ist von den neuen Betreibern so ausgequetscht worden, dass der Staat es ihnen wieder entrissen hat. Nun wird wieder in die Strecken investiert und die Kiwis fahren wieder gerne mit der Bahn.

     

    Manchmal möchte man diese nichtskönnenden Schlipsträger nehmen und sie durch das Watt der Elbe ziehen.