Porsche-Betriebsrat über Gott und Politik: „Ich kümmer mich um den Mist“
Uwe Hück, Betriebsratsvorsitzender bei Porsche, über eine Ausbildungspflicht für Firmen, seine Pläne, Jugendminister zu werden und warum er keinen Urlaub kennt.
Uwe Hück ist Betriebsratsvorsitzender bei Porsche, Freund deutlicher Worte und Thaiboxer. Mitten auf dem Konferenztisch in seinem Büro bei Porsche in Zuffenhausen sitzt ein Plüschmännchen mit blauen Augen. „Schlag mich, wenn du Stress hast“, steht in Englisch auf seinem Bauch.
Hück verpasst ihm einen rechten Haken. Das Männchen ächzt und schreit. Und noch einen. Manche nennen Hück den deutschen Chuck Norris. Er kennt sein Image und spielt damit. Das Boxen hat ihn, das ehemalige Heimkind, stark gemacht. Jetzt will er Jugendliche stark machen und ihnen die Chance zum Aufstieg geben. Hück will Jugendminister werden.
taz: Herr Hück, ein Wahlkampfslogan für den Betriebsrat von Porsche lautete einmal: „Merkel braucht Glück, Deutschland braucht Hück“. Wann machen Sie mit Ihren politischen Ambitionen Ernst?
Uwe Hück: Ich bin ja immer dann erfolgreich geworden, wenn ich unterschätzt worden bin. Wenn’s mir alle nicht zutrauen, dann ist die Gefahr groß, dass ich’s mach.
Ihr Traumjob ist Jugendminister. Was wäre Ihre erste Amtshandlung?
Die Einführung einer Ausbildungspflicht. Es ist unanständig, dass Unternehmen die Ausbildung finanzieren und andere Unternehmen, die nicht ausgebildet haben, solche Leute abwerben. Das ist Diebstahl, so wie wenn Sie sagen: Ich hol die Äpfel, wenn sie reif sind, beim Nachbarn. Der Staat könnte Arbeitgeber finanziell unterstützen, damit wirklich jeder ausbilden kann.
Person: Uwe Hück wuchs im Kinderheim auf. Sein Geburtstag ist nicht genau bekannt, wird aber auf den 22. Mai 1962 datiert. Er wechselte von der Sonder- auf die Hauptschule, übersprang dort zwei Klassen. 1977 begann er eine Lackiererlehre und hat 1985 bei Porsche angefangen. Nebenbei kämpfte er sich als Thaiboxer zweimal zum Europameistertitel.
Karriere: Im Betriebsrat von Porsche engagiert er sich seit 1990. Seit 2003 ist er Konzernbetriebsratsvorsitzender von Porsche. Gleichzeitig ist er stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG und der Porsche SE. Als SPD-Mitglied unterstützte er mehrere Wahlkämpfe der Partei. Hück ist verheiratet, Vater von drei Kindern, zwei davon adoptiert.
Porsche: Der Sportwagenhersteller hat seinen Sitz in Stuttgart-Zuffenhausen und gehört seit dem Jahr 2009 dem Volkswagen-Konzern an. 2013 hatte das Unternehmen knapp 20.000 Beschäftigte und lieferte 162.000 Fahrzeuge aus, 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Porsche gilt als das profitabelste Automobilunternehmen der Welt.
Woher wollen Sie denn das Geld nehmen?
Wir haben in Deutschland genug Geld, wir müssen es nur vernünftig verteilen. Ich würde anstoßen, dass Beamtenpensionen abgeschafft werden, da die Rücklagen auf Dauer nicht finanzierbar sind. Man muss den Leuten mehr Geld geben, aber sagen: Ihr müsst euch schon selber versichern. Falls ich Jugendminister werden sollte, knirscht es. Ich bin ein Querkopf – das wissen im Unternehmen, bei der IG Metall und in der Politik alle. Wenn ich der Auffassung bin, dass etwas ungerecht ist, dann kann ich in wenigen Sekunden von der Rose zur Naturgewalt werden.
Sie sind SPD-Mitglied und hatten sich einen Regierungswechsel gewünscht. Den haben Sie jetzt. Ist das nicht ein Trauerspiel, was wir von der Großen Koalition bisher sehen?
Nö. Ich war nach der Wahl pragmatisch und habe gesagt, wir brauchen die Große Koalition. Man kann nur Tore schießen, wenn man auch spielt. Die vier Jahre werden jetzt nicht einfach sein. Seehofer hat jetzt schon total vergessen, dass er einen Mindestlohn mit unterschrieben hat. Aber das ist bei ihm öfter so.
Die SPD ist mit der Basisbefragung in die Koalition gestartet. Da zitterten bei Gabriel offensichtlich die Nerven …
Es ist doch so: Wir sind lange nicht Fahrrad gefahren. Und Gabriel hat gesagt: Jetzt machen wir ein Rennen. Ich sage: Lasst uns öfters Fahrrad fahren! Einige haben ihm nicht zugetraut, dass er den Koalitionsvertrag durchkriegt. Aber Sigmar hat genau den richtigen Weg eingeschlagen. Jetzt muss er seine Stärke nutzen, damit das Land das bekommt, was es benötigt.
Sie leihen Ihre Stärke anderen: Mit Ihrer Lernstiftung unterstützen Sie benachteiligte Kinder, weil Sie finden, dass Bildung vom Geldbeutel abhängt. Was kann man gegen diesen Zusammenhang tun?
Ein Kind kann nichts dafür, wenn die Eltern sterben, sozial schwach oder krank sind. Ich hab das am eigenen Leib gespürt. Ich war im Kinderheim, hatte nichts. Ich war laut und auffällig. Was haben sie mit mir gemacht? Sie haben mich erst mal in eine Sonderschule reingesteckt. Aber man muss Kinder aus diesen Zonen rausholen und ihnen die Würde zurückgeben. Weil ich aus dem Heim kam, haben mich alle beschimpft. Später wurde ich Europameister und alle haben mir zugejubelt. Was hab ich festgestellt? Sobald du etwas bist in der Gesellschaft, bekommst du jede Menge Anerkennung. Hast du aber ein Schicksal erlitten, bist du der Loser. Mit meiner Stiftung wollte ich zum Nachdenken anregen. Außerdem wird der Staat das Bildungssystem nicht mehr alleine stemmen können, das müssen wir, die Bürger, auch mitmachen.
Wen sehen Sie in der Pflicht?
Ich kenn ja einige, die Erfolg hatten und haben. Die sind auch bereit zu spenden, wenn sie wissen, an wen. Dem Staat wollen sie nicht noch mehr geben. Dem trauen die so weit, wie Sie einen Elefanten schmeißen können.
Wie kann man diese Leute dazu bringen, ihr Geld lockerzumachen?
Das hat mit persönlichem Anstand zu tun, das kann man nicht gesetzlich vorschreiben. Man müsste einfach mal das Grundgesetz lesen, da steht drin: Eingentum verpflichtet. Das finde ich was Tolles. Die Reichen müssen da, wo sie sich befinden, in die Schulen investieren, die Kita mitfinanzieren. Wir müssen sagen: Du bist reich geworden durch diese Gesellschaft, du musst ihr auch was zurückgeben.
Legt der Porschefahrer nicht besonderen Wert auf Abgrenzung durch das Statussymbol Auto?
Man macht immer den einen Fehler: Wenn einer mit der zerrissenen Jeans kommt und über Gerechtigkeit redet, dem glaubt man. Wer im Nadelstreifenanzug darüber redet, dem glaubt man nicht. Dabei ist es doch so: Die Gesellschaft muss Geld haben, um das Soziale zu finanzieren. Der Sozialismus hat ja gezeigt, von nichts kommt nichts. Solidarität in der Gesellschaft hat nichts mit Sozialismus zu tun, das darf man nicht verwechseln.
Der Porschefahrer hat also auch einen Platz in Ihrer Gesellschaftsvision?
Der muss sogar Platz haben. Das ist wie in der Industrie: Wenn es nur Polos gäbe, ein Auto mit geringem fianziellem Deckungsbeitrag, dann könnte man keine Elektroantriebstechnik entwickeln. Das finanzieren die Reichen, und das ist auch gut so. Wir bei Porsche geben im Jahr zirka 1,4 Milliarden Euro für die Entwicklung aus, nur für die Entwicklung! Wer soll denn das finanzieren? Fahrradfahrer?
Porsche ist erfolgreich. In Teilen Ihres Unternehmens gibt es die 34-Stunden-Woche. Ist das ein Modell Deutschland?
Ja. Für Europa sogar. Die Produktivität in Deutschland ist extrem hoch. Auch in anderen Ländern wird diese Produktivitätssteigerung kommen. Das ist auch gut so, aber im Gegenzug müssen wir die Leute entlasten. Wir brauchen an die Arbeitsintensität angepasste Arbeitszeiten. Ein Entwickler kann entscheiden: Ich nehm die 40-Stunden-Woche. Die Produktion kann sagen: Wir nehmen die 34-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich – weil die Akkord arbeiten.
Sie machen nie Urlaub, heißt es. Wie finden Sie Ihren Belastungsausgleich?
Ich bin ja sehr gläubig. Ich bete zweimal am Tag, früh und abends. Um das zu werden, was ich heute bin, musste ich was Schlimmes erleben. Ich glaube, da hat mir irgendeiner da oben gesagt: Ich schmeiß dich mal richtig in die Brühe rein, damit du weißt, wie das ist. Deshalb habe ich eines versprochen, als ich acht Jahre alt war und eigentlich aufhören wollte zu leben. Da hab ich gesagt: Wenn du mich groß und stark machst, dann kümmere ich mich um den Mist. Jetzt hat er mich groß und stark gemacht, jetzt muss ich mich um den Mist kümmern.
Aber auch bei Ihnen ist doch irgendwann der Speicher leer.
Ich ziehe Energie daraus, wenn Leute sagen: Das hast du gut gemacht. Und logisch brauch ich auch Regenerationsphasen. Ich bleib dann mal einen Tag zu Hause, schirme mich ab, geh in meinen Trainingsraum. Im Urlaub könnte ich mich nicht erholen. Dort gibt es kein Rednerpult.
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