Populismus pur in Dänemark: Auf Stimmenfang mit der Burka
Obwohl nur wenige Frauen in Dänemark Burka tragen, fordern konservative Parteien jetzt ein Verbot.
STOCKHOLM taz | Das Burkaverbot hat Naser Khader auf die Tagesordnung gebracht. Khader ist ein in Syrien geborener Politiker, der nach einer gescheiterten Parteigründung auf der Suche nach Erfolg und politischer Heimat in den letzten Jahren von links immer weiter nach rechts gewandert ist. Khader kann zwar nicht sicher sagen, wie viele burkabekleidete Frauen er schon in Dänemark gesehen hat - nach Schätzungen eines Sozialforschungsinstituts gibt es insgesamt ein bis zwei Dutzend unter den 5,5 Millionen EinwohnerInnen -, aber es gehe ums Prinzip. Ein solches Kleidungsstück widerspreche "dänischen Werten", sei aufgrund der Einschränkung des Sichtfelds eine Gefahr im Straßenverkehr und stehe schließlich, so Khader, für eine "totalitäre islamistische Ideologie, die man dem Nazismus gleichstellen muss".
Das Thema Burkaverbot verspricht WählerInnenstimmen. Dies belegt eine Umfrage, wonach 56 Prozent der DänInnen es begrüßen würden. Prompt nahm es nicht nur Khaders eigene konservative Regierungspartei in ihren Forderungskatalog auf, sondern - wenig verwunderlich - auch die fremdenfeindliche Dänische Volkspartei. Prüfen will das Burkaverbot neben den Sozialdemokraten auch der Regierungspartner der Konservativen, die rechtsliberale Venstre. Die hat eine Kommission eingesetzt, die untersuchen soll, ob die Burka wirklich ein Problem für Dänemark darstellt und ob ein Verbot überhaupt mit der Verfassung vereinbar wäre. Peter Ibsen, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft, zweifelt daran, dass man Polizeibeamten nun zur Aufgabe machen sollte, ein solches Verbot handgreiflich auf der Straße durchzusetzen. "Danach drängen wir uns wahrlich nicht."
Neben obligatorischen Kursen in Gleichstellungsfragen, um das "Defizit bei der demokratischen Integration" von EinwanderInnen auszugleichen, wollen Khader und seine Konservativen ein neues Register einführen, das an die Rassenpolitik der Nazis erinnert: eine Erfassung Neugeborener mit Behinderungen nach Herkunftsland der Eltern. Es gebe ein Bedürfnis, so Khader, "Erkenntnisse über Folgen der Ehen zwischen Vettern und Cousinen zu gewinnen".
"Bei solchen Debatten geht es nicht mehr um Sachfragen", kritisiert die Journalistin Lena Sundström, die Dänemark als Land institutionalisierter Fremdenfeindlichkeit beschreibt: "Da geht es nur darum, sich wahltaktisch zu positionieren. Wo Wind ist, da setzt man wahllos Segel."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren