■ Scheibengericht: Pops Staples
Father, Father (Pointblank VPBCD 19 7243 8 39638 29)
Nächstes Jahr wird Pops Staples 80 Jahre alt. Sein Lebenslauf erzählt viel über die Geschichte der USA in diesem Jahrhundert, ebenso wie seine Musik. 1915 in Winona/Mississippi geboren, tingelte er schon in frühen Jahren mit einer abgewetzten Bluesgitarre durch die Trinkbuden und Stehkneipen des Deltas. Später konvertierte er zur Gospelmusik. Wie Millionen andere Schwarze kehrte er dem ländlichen Süden in den dreißiger Jahren den Rücken, um in den industriellen Norden zu ziehen. In Chicago gab er das unstete Musikerdasein auf, wurde Malocher in den Schlachthöfen und Stahlwerken und verdingte sich als Autowäscher. Nur noch an Sonntagen war sein Gesang in der Kirche zu hören. Als seine Töchter alt genug waren, formierte er mit ihnen ein Gospelquartett – der Gottesdienst ihrer Baptistengemeinde bot ein Podium. 1954 kam es zu ersten Schallplattenaufnahmen. Aber erst zig Jahre später, als die Soul- Hit-Fabrik Stax sie unter die Fittiche nahm, schafften die Staples Singers den Durchbruch und wurden zu einer der erfolgreichsten Gesangsgruppen des amerikanischen Soul.
Nachdem es um Pops Staples längere Zeit ruhig geworden war, meldet er sich nun, am Ende seiner Laufbahn, noch einmal mit einer Produktion, die die ganze Stilpalette der afro-amerikanischen Tradition zu einer Bilanz zusammenzieht. Seine Gitarrentönen stehen in der Luft wie Libellen. Der leicht gepreßte Gesang, der zur Steigerung der Intensität in den Falsett umschlägt, läßt die fromme Leidenschaft der Spirituals aufleben, während der Rhythmus im relaxten Groove dahinschaukelt. Diese Töne haben natürlich nichts vom inneren Aufruhr aktueller Black Music, sie geben sich altersweise und abgeklärt. Die Zeiten, in denen sie gereift sind, waren zwar auch nicht gut, aber es schien noch mehr möglich – man kann das hören.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen